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Beweisaufnahme in Prozess ist abgeschlossen. Urteil wird am Dienstag verkündet.

Bisingen-Thanheim/Hechingen - Fortsetzung im Fall des geständigen Thanheimer Messerstechers, der fast seine Mutter umgebracht hätte. Gestern sagte seine Schwester aus, sein Cousin erschien krankheitsbedingt nicht als Zeuge.

Die 25-jährige Schwester berichtete, dass sie ein gutes Verhältnis zu ihrem Bruder habe. Ein krasser Einschnitt sei der Herbst 2017 gewesen. Ihre Mutter habe sie angerufen und mitgeteilt, dass der Bruder LSD konsumiert habe. Die Schwester dazu: "Zuerst konnte ich es nicht glauben." Sie habe ihn daraufhin besucht und dabei gemerkt, dass er ein "total anderer Mensch" geworden war. Er habe Engel und Dämonen gesehen. Ihr sei klar gewesen, dass er in die Psychiatrie eingewiesen gehöre. Dies geschah dann auch, sie war danach allerdings zwiegespalten. "Er hatte mich angeschaut, als hätte ich ihn verraten", erklärte sie vor Gericht. Auf die Frage des Richters, ob sie ihren Bruder für krank hält, antwortete sie mit "Ja" – und weiter: "Er hält sich nicht für krank. Vor dem LSD-Konsum war mein Bruder anders. Das hat bei ihm im Kopf etwas nachhaltig verändert."

Einige Tage vor dem Tat habe man zu viert, also mit Mutter und Stiefvater, gemeinsam Silvester gefeiert. Ihr Bruder habe wie so oft unentschlossen gewirkt. Als sie von der versuchten Tötung erfahren habe, sei dies "ganz schrecklich" für sie gewesen. "Ich habe den Heilungsprozess meiner Mutter mitverfolgt, das war schon krass. Aber sie steht ihm immer noch sehr nahe." Es werde lange dauern, bis die seelischen Wunden verheilt sind. "Wir als Familie kommen damit schon klar. Für mich ist mein Bruder nach wie vor mein Bruder." Und sie wiederholte: "Für mich ist mein Bruder einfach krank."

Schwester besucht ihn in der Psychiatrie in Bad Schussenried

Die Schwester besucht ihn seitdem immer wieder in der Psychiatrie in Bad Schussenried. "Es geht ihm jetzt viel besser. Sechs Wochen nach der Tat wirkte er noch eher verwirrt, mittlerweile stabiler." Er habe keinen Ängste mehr, was sich die Schwester mit dem "lockeren Tagesrhythmus" erklärt. Der Verteidigter, fragte sie nach ihrer Einschätzung zu Silvester. Da sei er wortkarg gewesen, erinnerte sie sich. Der Beschuldigte selbst fragte seine Schwester, ob sie ihn früher als ex- oder introvertiert wahrgenommen habe. "Eine gute Mischung von beidem", antwortete sie.

Vor ihr hätte der Cousin, der 700 Kilometer entfernt wohnt, aussagen sollen. Er meldete sich jedoch krank, weshalb seine Zeugenaussage bei der Polizei vom Februar 2019 vorgelesen wurde und er nicht nochmals geladen wird, da heute das Urteil verkündet wird. Am 27. Dezember, also neun Tage vor der Tat, hat er den Beklagten bei deren Oma getroffen. Dieser habe am Esstisch von einer Urintherapie erzählt. "Das kam mir etwas seltsam vor", gab er damals zu Protokoll. Der Beschuldigte hat dem Cousin an jenem Tag einen Joint angeboten, was dieser dankend abgelehnt hat. "Ich rauche jeden Joint so, als ob es mein letzter wäre", soll er zu seinem Cousin gesagt haben. Später machten beide einen Spaziergang. "Er kam mir sehr durcheinander vor und meinte, dass er es gut finden würde, wenn alle LSD konsumieren würden", erzählte der Cousin im Februar. Während des Spaziergangs habe der 23-jährige ihn gefragt, ob er mit ihm kämpfen wolle. Dies verneinte er und habe sich Sorgen gemacht, weil er vermutete, dass er "ordentlich zuhauen" könnte. Dann schlug dieser einen Messerkampf vor. Auf die Frage, ob er ein Messer dabei habe, antwortete der Beschuldigte mit "Ja" und zog ein Klappmesser aus seinem Rucksack. "Ich bekam einen Schrecken und sagte ihm, dass er mir Angst macht." Der Tübinger Student wollte allein sein, worauf der Cousin zurück zur Oma ging. "Verspreche mir, dass du lebend zurückkommst", habe er zu ihm gesagt.

Festgenommene macht auf Polizisten einen etwas verwahrlosten Eindruck

Neben Schwester und Cousin waren am Montag auch Ärzte und Kriminalbeamte geladen, die zur Spurensicherung damals am Tatort waren oder den Beklagten festnahmen. So erläuterte der leitende Oberarzt der Gefäßchirurgie eines Krankenhauses, dass die die Wunden der Mutter lebensgefährlich waren, bei ihr der Halsmuskel teilweise durchtrennt war und sie hätte ersticken können. Dies bestätige auch ein Facharzt für Rechtsmedizin. "Ohne medizinische Maßnahmen wäre sie verblutet. Die Verletzungen waren konkret lebensgefährlich." Aufgrund eines Unterlippendurchstichs habe indes beim Stiefvater keine Lebensgefahr bestanden.

Für den Polizisten machte der Festgenommene einen etwas verwahrlosten Eindruck. Er habe mehrere T-Shirts übereinander und einen "Damen-Schlüpfer" getragen. Der geständige Täter habe kurz nach dem Befinden seiner Mutter gefragt, ansonsten sei er neben sich gestanden. In der Zelle auf dem Polizeirevier habe er sich selbst verletzten wollen, indem er versucht hatte, sich einen Finger abzureißen und den Kopf gegen die Wand stieß. Der Sachverständige gab seine Einschätzungen zum Krankheitsbild unter Ausschluss der Öffentlichkeit ab.

Die Plädoyers, die am heutigen Dienstag ab 8.30 Uhr vorgetragen werden, sind nicht öffentlich. Das Urteil wird um 11.30 Uhr verkündet, dafür ist die Öffentlichkeit zugelassen.