Regelmäßig ist Landesverkehrsminister Winfried Hermann im Land unterwegs, um sich über aktuelle Baustellen zu informieren. Foto: dpa

Einen Tag lang bereist Landesverkehrsminister Hermann Baustellen im Regierungsbezirk Stuttgart: Und er hört von Kostenexplosionen, maroden Brücken und „ewigem“ Warten auf Ortsumfahrungen.

Stuttgart - Die vier Regierungspräsidien im Land wickeln allein bei den Bundesstraßen zurzeit Bauprojekte in Höhe von fast vier Milliarden Euro ab. „Wir sanieren und modernisieren nachhaltig“, sagte Minister Winfried Hermann auf seiner Baustellentour. Er lobte die Straßenbauverwaltung im Regierungsbezirk Stuttgart, die jedes Jahr Hunderte der „unterschiedlichsten Projekte“ durchziehe. Regierungspräsident Wolfgang Reimer gab den Ball zurück: Er danke dem Minister für seine „anhaltende Bereitschaft“, die Straßenbauverwaltung personell zu stärken. Dabei zeigt jede Baustelle spezifische Probleme – im Folgenden eine kleine Auswahl.

Schwäbisch Hall – das lange Warten:
Strömender Regen in Schwäbisch Hall, deshalb ein Treffen mit den Bauingenieuren in der alten Discothek „Alpha“, die nun bald abgerissen wird zugunsten eines Bauwerks, das für die Bürger eine störende Lücke in ihrer Stadtumfahrung schließen soll: Im Frühjahr 2018 soll mit dem Bau des Weilertunnels begonnen werden, der zwar nur 390 Meter lang ist, aber ein letztes Bindeglied der vierspurig ausgebauten B 19 durch die Stadt sein wird. Staus, Abgase, Lärm – ein ganzer Stadtteil sei noch „tot und abgehängt“, sagt Verkehrsminister Hermann. Mit dem neuen, vierspurigen Tunnel werde alles gut. Die Stadtumfahrung von Schwäbisch Hall ist seit 1968 geplant worden, 1977 begann der Bau – erst jetzt wird der letzte Mosaikstein gesetzt. Nach 40 Jahren.

Dieses für die Stadt „zentrale Anliegen“, so Bürgermeister Hermann-Josef Pelgrim (SPD), sei halt vom Bund oft verschoben worden, auch wegen der Deutschen Einheit und der Priorität für Investitionen im Osten. Hermann sieht das auch so, was wichtig für Schwäbisch Hall gewesen sei, sei „für Deutschland halt nicht so wichtig gewesen“. Er weist aufs Abwägen von Interessen hin: Das Tunnelprojekt wird alles in allem 49,1 Millionen Euro kosten – davon 1,6 Millionen für den Fledermausschutz – und von dem Geld, so der grüne Minister, hätte man andernorts locker zehn bis 15 Kilometer neue Straße finanzieren können.

Gaildorf – die marode Brücke:
Baufällige Eisenbahn- und Straßenbrücken sind immer wieder gut für negative Schlagzeilen. Von den 3100 Brücken in Baden-Württemberg haben 19 auf Autobahnen, 15 auf Bundesstraßen und 22 auf Landesstraßen den Bauwerkszustand „ungenügend“, was nicht heißt, dass sie gleich einstürzen, doch dass bestimmte Vorschriften wie Gewichtsbeschränkungen für sie gelten. In Gaildorf-Münster steht so eine, führt auf der B 19 über den Kocher. Baujahr 1954, mehrfach saniert, aber da die B 19 hier eine sogenannte Schwerlaststrecke ist – auf der bis 290 Tonnen schwere Fahrzeuge rollen dürfen – ist die Brücke schwer mitgenommen. Sie könne nicht mehr repariert werden, sagten Sachverständige vom Regierungspräsidium Stuttgart

Die neue Brücke wird um vier Meter auf 15,5 Meter verbreitert, damit nicht nur schwere Turbinen von Voith aus Heidenheim über sie rollen können, sondern auch Platz für einen Radweg ist. Mit den Bauausschreibungen könnte 2018 begonnen werden, 1,5 Jahre Bauzeit, Kosten 3,5 Millionen Euro für eine Brückenlänge von 26 Metern. Gaildorfs Bürgermeister Frank Zimmermann (parteilos) steht zwischen Abgeordneten und Gemeinderäten und will sich nicht so recht freuen, er wartet dringender auf eine Ortsumfahrung. „Die Brücke ist ja schon vorhanden.“ Aber täglich quälten sich 10 000 bis 15 000 Autos durch den Ort, Lastwagen hätten an einer Stelle Probleme, um die Ecke zu kommen, und 2000 Schüler des Ortes seien auf dem Heimweg „in Lebensgefahr“. „Wir haben von morgens bis abends Verkehrschaos“, sagt Zimmermann. Ihm wird von den Straßenplanern versichert: Für die Umgehung – fünfmal so teuer wie die Brücke – gebe es eine Zeitschiene, Vorplanungen hätten begonnen.

Mögglingen – glücklich über Umgehung:
„Verwahrlost“ – das ist der Begriff, den Mitglieder im Begleittross des Ministers bei der Baustellentour über Ortskerne fällen, die von stark befahrenen Straßen durchschnitten werden. Von Abgasen graue Fassaden, leer stehende Geschäfte, heruntergekommene Häuser. Auch auf Mögglingen wird das Wort angewandt, der 4300-Seelen-Ort ist zerschnitten von der von Aalen Richtung Stuttgart führenden B 29. Vor zwei Jahren machten der Grüne Hermann und der CDU-Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, Norbert Barthle, gemeinsam den Spatenstich für die Ortsumfahrung. Und was für eine! Sieben Kilometer lang, vierspurig, mit elf Brücken über dem Lautertal, 110 Millionen Euro teuer. Wegen des Fehlers eines Ingenieurbüros waren die Kosten zu niedrig kalkuliert worden – den Erdaushub und die Hangbefestigung hatte das Büro glatt vergessen – das Regierungspräsidium (RP) trennte sich von dem Unternehmen.

Andreas Hollatz, Leiter der Abteilung Straßenwesen im Regierungspräsidium Stuttgart, weist auf den Zeitplan hin: Vor der Gartenschau Remstal 2019 soll die Umgehung fertig sein. Die Vorfreude ist bei Bürgermeister Adrian Schlenker (parteilos) spürbar: „Seit 1957 ist die Umgehung geplant. Die Bürger freuen sich, denn wir haben im Schnitt eine Belastung von 30 000 Autos am Tag. Seit der Eröffnung des Tunnels in Schwäbisch Gmünd zählen wir extrem viele Lkw.“ Ist die Umgehung fertig, wird Mögglingen um 80 Prozent vom Verkehr entlastet.

Steinenkircher Steige – teurer Asphalt:
Nicht nur Autobahnen können teuer sein, auch simple Landesstraßen gehen ins Geld. Im November 2016 war die Steinenkircher Steige auf der Schwäbischen Alb, zwischen Geislingen-Eybach und Böhmenkirch-Steinenkirch auf der Alb, eröffnet worden. Nur drei Kilometer lang, aber fast sechs Millionen Euro teuer, rechnet man die Sicherung des Hangs mit Zaungittern vor Steinschlag hinzu, sind es noch einmal drei Millionen Euro mehr. Neun Millionen Euro für drei Kilometer sind nach Adam Riese drei Millionen für einen Kilometer.

„Ein ungewöhnlich hoher Betrag“, heißt es im Regierungspräsidium. Die Steigen zur Alb hinauf sind problematisch: die Talseite hat oft Schlagseite, rutscht ab, bei Sanierungen kommt es zu Vollsperrungen mit großen Umwegen – ein Ärgernis für die Anwohner. Und teuer ist ihre Reparatur auch. Neuerdings werden wie in Steinenkirch auf der Talseite sogenannte Gabionen – mit Steinen gefüllte Drahtkörbe – im Untergrund verbaut. Sie sichern die Fahrbahn vorm Abrutschen, machen die Sache aber kostspielig: Drei Steigen in den Kreisen Esslingen und Göppingen sind saniert, 14 weitere auf Bundes- und Landesstraßen warten noch darauf. „Die Steigen fressen in den Haushalt für Landesstraßen enorme Löcher“, sagt Hollatz. Die Böhmenkircher seien jetzt aber „glücklich“. www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.alte-bahndirektion-in-stuttgart-17-000-tonnen-in-der-schwebe.55276512-bb7e-4efa-9f61-9f7fe5626da8.html