Auf sogenannten Revolutionstrommeln machen die jungen Albvereinsmitglieder im Haus der Volkskunst bei der Premiere des Films über Gottlieb Rau ordentlich Rabatz. Foto: Ungureanu Foto: Schwarzwälder-Bote

Manfred Stingel zeigt im Haus der Volkskunst 35-Minuten-Film über den Dürrwanger Revolutionär Gottlieb Rau

Von Gert Ungureanu

Balingen-Dürrwangen. "Auf der Welle der Auswanderer schwimme ich mit", schreibt Gottlieb Rau im Mai 1853 auf dem Schiff, das ihn von Le Havre nach Amerika bringt. Er ist ein Verbannter, weil er sich bemüht hat, die schlimmen Verhältnisse in seiner württembergischen Heimat zu verbessern. Manfred Stingel hat zusammen mit Fabian Rosenberg einen Film über den Dürrwanger Revolutionär von 1848 gedreht. Anlass ist dessen 160. Todestag, der sich im Oktober jährt.

Manfred Stingel, Kulturratsvorsitzender des Schwäbischen Albvereins, hat einen ganz besonderen Bezug zu Rau: Er ist dessen Urgroßneffe. Aus alten Archiven hat er die Biografie seines Vorfahren und dessen Schriften zusammengetragen und bereits ein Buch über ihn veröffentlicht. Als "junger Mann" hatte Stingel sogar selbst den Gottlieb Rau gespielt – in einem Kurzfilm des SWR. Weil der vom Sender nicht mehr zu bekommen war, habe er beschlossen, einen eigenen Film zu drehen über diesen Mann, der in seiner Heimat weitgehend unbekannt geblieben ist.

Den Auftakt zur Vorpremiere im Haus der Volkskunst in Dürrwangen machen die Jüngsten, die in diesem Jahr innerhalb der schwäbischen Kulturwoche am Instrumenten-Workshop teilnehmen: Sie haben "Revolutionstrommeln" gebastelt und trommeln eifrig zum Revolutionslied "O hängt ihn auf! O hängt ihn auf..."

Der 35-Minuten-Film zeichnet in Rückblenden und Interviews das Leben des "Volkstribuns" nach: von seiner Geburt am 15. Januar 1816 als Sohn einer Bauernfamilie in Dürrwangen über die Lehre in Balingen, Stationen in Heilbronn und Stuttgart bis hin zur Heirat mit einer reichen Witwe, die ihm nach ihrem Tod eine Glasfabrik und ein kleines Vermögen hinterlässt. Rau liest begeistert Klassiker und theologische Schriften, träumt von Innovationen, schreibt, dass mit der Erfindung der Eisenbahn "die ganze Welt ein Vaterland geworden" sei, schlussfolgert, dass sich die Not "nur durch Industrie bewältigen lässt".

Die Glasfabrik, in der er böhmische Glasbläser beschäftigt, treibt ihn in den Ruin. Sein Versuch, in die "große Politik" zu gehen, scheitert, weil er ein Pamphlet veröffentlicht mit dem Titel "Der Zustand des Landes – wie es war, wie es ist und wie es sein sollte". Er gründet die Oppositionszeitung "Die Sonne", gibt darin den "Ungehörten eine Stimme", knüpft Kontakte zu Friedrich Hecker und der badischen Revolution. "Freiheit", schlussfolgert er, "gibt es nur durch die Volksbewaffnung." Von Rottweil führt er einen 1000 Mann starken Zug in Richtung Stuttgart, Balinger schließen sich an. Aber der Feldzug endet an der Grenze zu Hohenzollern, die Revolution läuft sich tot, der Kummer, heißt es, wird im Pflaumenschnaps ertränkt, daher wird die Aktion später als "Zwetschgenfeldzug" bezeichnet.

Rau kommt vor Gericht, wird verurteilt, sitzt und schreibt in seinem kalten Verlies: "Ich bin in meiner engen Haft zum Feuerstein geworden, der geschlagen werden muss, um Feuer zu spenden." Seiner zweiten Frau gelingt es Jahre später, die Obrigkeit zu überzeugen, die Haft in Exil umzuwandeln. Die Familie geht nach Amerika, eröffnet das "Hotel Rau" in New York. Ein Jahr später stirbt Gottlieb Rau – wohl an den Folgen der Haft. Der Zufall wollte es, dass Manfred Stingel eine entfernte Verwandte in New York kennenlernte. Ihr wiederum gelang es, das Grab von Gottlieb Rau auf dem "Greenwood Cemetery" ausfindig zu machen.

Gespielt wird der Revolutionär, der ein Jahrhundert vor der europäischen Idee die "Nationen der Erde als Völkergemeinschaft" bezeichnete, von Boris Retzlaff, der auch die Schriften Raus studiert und Wesentliches herausgearbeitet hat. Mitwirkende sind Mitglieder der Volkstanzgruppe Frommern, Manfred Stingel und der Rottweiler Stadtarchivar Winfried Hecht kommen zu Wort, zudem die Urenkelin Raus, Lorna Hedgenson aus New York.

Den Film will Stingel jetzt dem SWR anbieten, zudem soll er in Rottweil und Balingen gezeigt werden – und online. "Eigentlich", meint Manfred Stingel, "ist die Geschichte zu groß für den 35-Minuten-Film. Man müsste einen richtigen Spielfilm drehen."