Startschuss: Pablo Wendel legt den Schalter um. Foto: Nessler Foto: Schwarzwälder Bote

Kultur: Balinger Pablo Wendel bringt früheres E-Werk in Luckenwalde mit Performance wieder ans Netz

Balingen/Luckenwalde. Es ist vollbracht. In Luckenwalde wird seit Sonnabend Kunststrom produziert. Der kommt ganz normal aus der Steckdose, zumindest können sich Abnehmer dafür entscheiden. Eine gemeinnützige GmbH erzeugt ihn an historischer Stätte – im alten E-Werk der Stadt, das nun wieder im wahrsten Sinne ein elektrisierender Ort ist. Gefeiert wurde die Inbetriebnahme des modernen Holzkraftwerkes mit Kraft-Wärme-Kopplung in dem alten Gebäude von hunderten Gästen mit einer Powernight, reichlich Kunstpremieren in verschiedenen Performances sowie einer After-Show-Party.

Hinter dem Projekt Kunststrom steckt der renommierte Künstler Pablo Wendel. Der 39-Jährige stammt aus Balingen und lebt in London. Seit rund drei Jahren ist er jedoch immer öfter in Luckenwalde anzutreffen. "Es genügten ein paar letzte Funken aus einem Industriedenkmal, dessen Schicksal schon besiegelt schien, damit Pablo Wendel Feuer fing", erklärte Luckenwaldes Bürgermeisterin Elisabeth Herzog-von der Heide in ihrer Festrede anlässlich der Aufnahme der Kunststrom-Produktion.

Wendel, der 2012 in Stuttgart die Performance Electrics als gemeinnützigen Stromanbieter zur Produktion und Bereitstellung von Kunststrom gründete, erwarb im November 2017 das ehemalige Elektrizitätswerk in Luckenwalde. Die 350 Quadratmeter große historische Turbinenhalle mit angrenzendem Maschinenraum sowie die Außenanlagen werden nun für Ausstellungen und weitere kulturelle Veranstaltungen genutzt.

Das neue Kraftwerk und Kunstzentrum ist zu einem Hotspot geworden, der Kreative aus der ganzen Welt anzieht. Mehr als 50 Künstler aus Europa, Asien, Afrika, Amerika und Australien arbeiteten als Freiwillige über ein Jahr lang am Projekt E-Werk in Luckenwalde mit.

"Super, großartig – es gab eine große Aufregung im Vorfeld. Bei der ganzen Vorbereitung war man natürlich sehr nervös, dass auch alles klappt", erklärte Wendel spürbar erleichtert, nachdem er die Kunststrom-Produktion mit Schutzbrille und Maske in einer Performance, die den Weg der Brennstoffe per Videoprojektion den Gästen in der Turbinenhalle näherbrachte, hochgefahren hatte.

Einen ganz besonderen Tag erlebte auch Bernd Schmidl. Er war von 1976 bis zur Stilllegung der Anlagen Anfang der 1990er-Jahre Produktionsleiter im alten E-Werk. Für die neue Nutzung des Gebäudes hat sich der Rentner in unzähligen Stunden ehrenamtlich zusammen mit den Künstlern engagiert. "Der Tag heute bedeutet mir sehr viel", sagte Schmidl: "Wer in Luckenwalde groß geworden ist und die vielen Industrieruinen sieht, der wird begreifen, was dies hier darstellt. Erstens: ein saniertes Gebäude, zweitens: Es ist erhalten. Und drittens, und das ist für mich das Wichtigste: Es wird genutzt. Eine leere Hülle zu haben, nützt niemanden. Erst wenn eine Nutzung stattfindet, dann lebt auch das Gebäude."