Eine ungewöhnliche Verhandlung fand am Freitag im Balinger Amtsgericht statt. Foto: Ungureanu

Geständnis bringt Bewährung: Trotz vieler Straftaten muss 53-jährige Balingerin nicht ins Gefängnis.

Balingen - Nachbarn und Beamte hatte sie übelst beleidigt, mit einer Mistgabel ist sie auf Polizisten los, einen Hund hat sie auf einen Nachbarn gehetzt, der auch gebissen wurde. Für diese Vergehen wurde am Freitag eine 53-jährige Balingerin zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr zur Bewährung verurteilt.

Weil sie darüber hinaus einen Polizeibeamten, der bei einer Kontrolle den Zündschlüssel abziehen wollte, um sie am Wegfahren zu hindern, über mehrere Meter mitgeschleift hatte, muss sie zudem für drei Monate den Führerschein abgeben. Außerdem hat sie 70 Stunden gemeinnützige Arbeit abzuleisten. Eine hohe Geldstrafe, die die Staatsanwältin für die Beleidigungen gefordert hatte, sprach die Richterin nicht aus.

Nachdem die Angeklagte vor kurzem den Prozess hat platzen lassen, weil sei nicht erschienen war, wurde sie am Mittwoch in Polizeigewahrsam genommen und gestern mit Handschellen vorgeführt. Im Gerichtssaal nahmen auch vier Beamte Platz, um im Fall der Fälle eingreifen zu können. Es war aufgrund der Taten der Angeklagten befürchtet worden, dass die Verhandlung nicht in ruhigen Bahnen verlaufen könnte.

Dem war aber nicht so. Einige Ausfälle der Angeklagten wurden vom Verteidiger schnell unterbunden, so dass es von ihrer Seiten keine Störungen mehr gab. Dieses Verhalten war ein Grund, warum die Richterin dem Vorschlag der Staatsanwältin folgte, die Strafe auf Bewährung auszusetzen, und zwar auf drei Jahre. "Auch wenn es die Zuhörer gerne anders gehabt hätten", meinte die Staatsanwältin mit Blick auf die gut gefüllten Stuhlreihen. Ebenso habe, wie die Richterin weiter ausführte, der Hinweis der Staatsanwältin überzeugt, dass sich die Balingerin immer dann unauffällig verhielt, wenn sie, wie in mehreren Fällen zuvor, eine Bewährungsstrafe aufgebrummt bekommen hatte. Dies hatte ein Zeuge zuvor ausgesagt.

Für eine Bewährung habe auch gesprochen, dass die Angeklagte ein Geständnis ablegte. Damit war zunächst aber nicht zu rechnen gewesen, denn zu Beginn der Verhandlung hatte sie noch alle Vorwürfe vehement bestritte. So habe sie einem Kontrahenten nur deshalb das Knie in die Genitalien gerammt, weil dieser sie angegriffen habe. Und die Beleidigungen könnten schon deshalb nicht stimmen, "weil das nicht mein Jargon ist".

Die Versionen der Zeugen entsprachen dagegen den Vorwürfen aus der Anklageschrift. Sie schilderten auch, dass es seit 1994 immer wieder Probleme mit der Angeklagten gegeben habe, verstärkt jedoch ab dem Herbst 2012. Von da an seien eine Vielzahl an Anzeigen bei der Polizei eingegangenen, seien Bewohner heulend im Revier gesessen, weil sie sich schutzlos dem Treiben der Angeklagten ausgesetzt sahen, wie ein Polizeibeamter schilderte.

Anschließend hatte sich ein Gutachter zur strafrechtlichen Verantwortlichkeit geäußert. Er bescheinigte der Balingerin, dass sie ihr Verhalten sehr wohl und sehr gut steuern könne und auch fähig sei, ihre Situation einzuschätzen.

Und als ob sie diese Einschätzung bestätigen wollte, legte die Angeklagte nach einem Gespräch mit dem Gutachter und ihrem Verteidiger ein umfassendes Geständnis ab. "Ein kluger Schachzug", meinte dazu die Staatsanwältin. Nachdem die Richterin die Angeklagte ermahnte, sich in der Bewährungszeit gut zu halten, verließ diese das Amtsgericht – ohne Handschellen.