Evangelische Christen erinnern seit 1667 an Luthers Thesen / Mit "Halloween" kann der Dekan nichts anfangen

Balingen. Am heutigen 31. Oktober wird der Reformationstag gefeiert. Zu den Hintergründen dieses Fests befragten wir Dekan Beatus Widmann.

Was feiern evangelische Christen am 31. Oktober?

Den Gedenktag der Reformation. Bewegt von der pastoral verheerenden Auswirkung des Ablasshandels der spätmittelalterlichen Kirche schlug Martin Luther am 31. Oktober 1517 95 Thesen über den Ablass an die Tür der Schlosskirche in Wittenberg. Die Veröffentlichung der Thesen diente dazu, ein Lehrgespräch einzuleiten. Luther hatte nie eine Kirchenspaltung im Sinn gehabt. Ihm ging es um die Wahrheit des Evangeliums.

Inwiefern ist dieses Fest für das Selbstverständnis der evangelischen Gemeinden wichtig?

Das Evangelium von Jesus Christus ist für das Selbstverständnis evangelischer Christen und Gemeinden grundlegend wichtig. Deshalb auch der Leitspruch für das Reformationsfest aus 1. Korinther 3,11: "Einen andern Grund kann niemand legen als den, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus." Am Reformationsfest erinnern wir uns an die befreiende Kraft des Evangeliums.

Seit wann wird dieses Fest begangen?

Die Festlegung auf den 31. Oktober geht auf die Jubelfeiern anlässlich der 150. Wiederkehr des Thesenanschlags 1667 zurück. Die Reformationsjubiläen 1617, 1717 und 1817 trugen wesentlich zur allgemeinen Durchsetzung des 31. Oktober bei.

Gibt es Empfehlungen oder Richtlinien für das Fest?

Das Reformationsfest ist fester Bestandteil des Kirchenjahrs. Es kann als Abendgottesdienst am 31. Oktober selbst oder am darauffolgenden Sonntag gefeiert werden. Anregungen und Gestaltungshilfen gibt es von landeskirchlicher Seite. Im Kirchenbezirk laden einander benachbarte Gemeinden zu gemeinsamen Gottesdiensten und Feiern ein.

Stichwort "Church Night" – seit wann werden diese Veranstaltungen gefeiert?

"Church Nights" werden seit 2006 gefeiert, unter dem Motto: "hell – wach – evangelisch".

"Church Nights" zielen auf Jugendliche und junge Erwachsene ab – ist das als Antwort auf die "Halloween"-Mode zu verstehen?

Das kann man so sagen. Der durch Kommerz und Medien beförderte Halloween-Kult droht die Bedeutung des Reformationstags aus dem öffentlichen Bewusstsein zu verdrängen.

Apropos "Halloween": wie stehen Sie persönlich zu diesem "Gruselfest"?

Ich selbst kann mit "Halloween" nichts anfangen, habe aber, als Kinder um "Süßes oder Saures" gebeten haben, an der Haustüre schon öfter etwas gegeben.

Durften ihre Kinder sich verkleiden beziehungsweise hatten diese überhaupt Interesse an "Halloween"?

Halloween ist an unseren Kindern – Gott sei Dank – vorbei gegangen. Sie hatten kein Bedürfnis danach.

Was ist aus Ihrer Sicht der wichtigste Aspekt beim Reformationsfest?

Der Freiheits-Aspekt. In Galater 5,1 heißt es: "Zur Freiheit hat uns Christus befreit! So steht nun fest und lasst euch nicht wieder das Joch der Knechtschaft auflegen!" Mit Martin Luther gesprochen: "Im Glauben ist ein Christenmensch ein freier Herr über alle Dinge und niemand untertan. Jedoch in der Liebe ist er ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann untertan." Das ist die christliche, vom Evangelium gewirkte Freiheit der Christen.

Das Reformationsfest soll 2017 einmalig ein gesetzlicher Feiertag werden...

Diese Überlegungen, die jetzt per Gesetz beschlossen worden sind, befürworte ich sehr. Sie unterstreichen die Bedeutung der Reformation für den christlichen Glauben und für die christlich-abendländische Kultur. Der Reformationstag 2017 wird einmalig gesetzlicher Feiertag.

Gibt es seitens des evangelischen Kirchenbezirks Balingen bereits Überlegungen für die Feier des 500-Jahre-Jubiläums?

Ja, ich habe schon Vorgespräche geführt, zum Beispiel mit dem Tübinger Kirchengeschichtler Jürgen Kampmann, Kreisarchivar Andreas Zekorn und dem Sigmaringer Staatsarchivar Volker Trugenberger. Es soll Vorträge, Ausstellungen und Gottesdienste im ganzen Kirchenbezirk geben. Von der Landeskirche gibt es Anregungen für die Gestaltung der Jahre 2016 und 2017, sowie für die sechs Tage bis zum 31. Oktober 2017. Wir werden das 500-jährige Reformationsjubiläum im ökumenischen und interreligiösen Bewusstsein groß feiern.

u Die Fragen stellte Wolf-Ulrich Schnurr