Sitzen vor dem denkmalgeschützten Haus mit dem Plakat zum "Tag des offenen Denkmals": Anne Bohn vom Generationenhaus (links) und Stadtarchivarin Yvonne Arras. Foto: Ungureanu Foto: Schwarzwälder Bote

Tag des offenen Denkmals: Ausstellung in der Zehntscheuer und Führungen durch das Generationenhaus

Vor 120 Jahren wurde das heutige Generationenhaus in der Filserstraße 9 eröffnet – als "Industrieschule für konfirmierte Töchter". Am Tag des offenen Denkmals, 9. September, finden Führungen durch das Haus statt, und parallel dazu gibt es eine Ausstellung in der Zehntscheuer.

Balingen. Stadtarchivarin Yvonne Arras hat dafür alles zusammengetragen, was im Archiv zu finden war. Anne Bohn vom Generationenhaus hat zudem auch ältere Balinger befragt. Das denkmalgeschützte Gebäude aus der Gründerzeit ist mit der Person Friederike Rösler untrennbar verbunden: Die gebürtige Balingerin (1819-1880), die den Arzt Friedrich Rösler geheiratet hatte und im Zuge der 1848er-Revolution in die USA emigriert war, kehrte nach dem Tod ihres Mannes nach Deutschland zurück. Sie vermachte auf Anraten des Endinger Pfarrers Franz Hopf das stolze Vermögen von 144 490 Mark der Stadt Balingen – zweckgebunden für eine Stiftung "zur Förderung der Balinger Jugend".

Zweck der "Rösler-Stiftung" war es, aus den Zinsen des Stiftungskapitals jährlich für sechs gebürtige Balinger Mädchen und Jungen, "die bedürftig und würdig sind", die Konfirmationskleidung zu kaufen und ihre "weitere Erziehung und Ausbildung" bis zum 18. Lebensjahr zu finanzieren.

1883 wurde in der Wilhelmstraße die Industrieschule für Mädchen gegründet, aus der 1898 die "Frauenarbeitsschule" in der Filserstraße wurde. Das Haus hatte die Stadt Balingen für 6500 Mark erworben; für 57 Mädchen begann im November der Unterricht, davon wurden 21 kostenlos unterrichtet.

1895 beschloss der Gemeinderat, einen Neubau für die Schule zu errichten. Drei Jahre später nahm die Schule am neuen Standort den Betrieb auf. "Strick-, Häkel-, Filet-, Knüpf- und Flechtarbeiten" standen auf dem Bildungsplan, zudem "Kleidermachen", "Musterschnittzeichnen" und "Maschinennähen". Zu Spitzenzeiten besuchten bis zu 150 Schülerinnen den Unterricht. Ältere Balinger erinnern sich, dass es in dem Haus auch eine Tischler-Ausbildung gegeben hat, und dass das Haus während des Kriegs vom Militär "zweckentfremdet" worden war.

1981 wurde die Stiftung aufgelöst; Währungsreform, Inflation und Zinsentwicklung hatten zu einem Schrumpfen des Vermögens geführt. Die Hauswirtschaftliche Schule zog nach Ebingen.

Heute erinnern ein Straßenname und ein Obelisk aus rotem Sandstein, der auf dem Balinger Friedhof steht, an Friederike Rösler. Das Haus in der Filserstraße mit Pflegestütztpunkt und Bürgertreff ist eine soziale Einrichtung geblieben: "Viele Frauen gehen hier ein und aus", sagt Anne Bohn vom Bürgerkontakt. Sie erinnert an den Elterntreff, das Kaffeestüble, die Näh- und Bastelangebote, die Seniorinnen und jüngere Frauen zusammenbringen. "Wir haben immer noch eine Nähmaschine im Haus", sagt sie. "Damit werden Bäuchleswärmer für Neugeborene genäht."