Stefan Pfeffer unterrichtet am Hochschulcampus Tuttlingen Ingenieurspsycholgie und lebt mit seiner Frau und den zwei Töchtern in Balingen. Fotos: Stiegler Foto: Schwarzwälder Bote

Wissen: Der Ingenieurspsychologe Stefan Pfeffer beschäftigt sich mit der Benutzerfreundlichkeit von technischen Produkten

Wenn Mensch und Technik aufeinandertreffen, dann kann das eine große Hilfe in vielen Lebensbereichen sein – oder schrecklich schief gehen. Professor Stefan Pfeffer lehrt Ingenieurspsychologie in Tuttlingen.

Balingen/Tuttlingen . Manchmal sitzt Stefan Pfeffer, zweifacher Familienvater aus Balingen, in einem ganz bestimmten Café und beobachtet immer das gleiche Phänomen: "Die Leute kommen von außen an die Tür des Seiteneingangs und scheitern an den Türgriffen. Mindestens jeder Zweite zieht anstatt zu drücken." Pfeffer glaubt, dass das mit dem Design der Türgriffe zu tun hat, zwei langen vertikalen Griffstangen, die die Besucher intuitiv auffordern, zu ziehen. "Querbalken stattdessen sagen: Drücken."

Mit diesem simplen Beispiel versinnbildlicht Pfeffer, seit vergangenem September Professor für Technische Produktgestaltung, worum es im Studiengang Ingenieurspsychologie der Hochschule Furtwangen am Hochschulcampus Tuttlingen geht: "um die Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine". Also um jene Produkte, Techniken oder Werkzeuge, mit denen "der Mensch sehend, fühlend und hörend interagiert".

Die Ingenieurspsychologie verbindet Psychologie mit Technik. Der Bachelor-Studiengang – interessierte Abiturienten könne sich noch bis zum 15. Juli fürs Wintersemester bewerben – startete 2017. Daher sei er hauptsächlich damit beschäftigt, das Curriculum – sprich die Lehre – aufzubauen, erklärt der 37-Jährige. Denn seine Professorenstelle wurde neu geschaffen: "Ich habe das von keinem übernommen, der in Rente ging."

Wie also kann ein Produkt – egal ob Wasserhahn, Cockpit oder Hörgerät – zugleich unmittelbar benutzerfreundlich sein und im besten Fall Freude an der Nutzung erzeugen? Wie im Fall des Türgriffs spielt Intuition eine große Rolle. Die Intuition des Nutzers basiere sowohl auf genetisch-biologischen Grundlagen wie auch auf kulturell-sozialer Prägung, so Pfeffer. "Wir sind es gewohnt, nach rechts zu drehen oder nach oben zu schieben und wissen, dass etwas Größeres wichtiger ist, als das Kleinere."

"Viele intuitive Handhabungen sind kulturell gefärbt"

Doch viele intuitive Handhabungen seien kulturell gefärbt und mitunter von Land zu Land verschieden, wie beispielsweise die Bedeutung bestimmter Symbole, die automatische Blickfolge von links oben nach rechts unten oder die Aussagekraft bestimmter Farben. "Rot bedeutet nicht in jedem Land Alarm", betont Pfeffer.

Das älteste Werkzeug, dessen Nutzung sich sofort erschließe, sei der Faustkeil: "Der ballige Griff passt perfekt in den Handinnenteller, und die Spitze ist ideal zum Arbeiten. Das haben die Steinzeitmenschen intuitiv hinbekommen."

Heute gehe es beispielsweise darum, den Lüftungsregler im Auto zu designen: Das haptische und akustische Signal des Einrastens ermögliche eine Blindbetätigung, und die farbliche Gestaltung mache sofort optisch klar, dass hier die Temperatur reguliert werden kann. Und auch ein Fahrkartenautomat "muss für Jung bis Alt funktionieren".

Die Automatisierung nehme in allen Lebensbereichen zu. "Wir befinden uns an einem Scheidepunkt", glaubt Pfeffer. "Durch Themen wie Digitalisierung, Robotik oder künstliche Intelligenz ist der Mensch im Begriff, außen vor zu bleiben oder hinten angestellt zu werden. Alle Berufsstände, auch kreative, haben Angst, ersetzt zu werden." Und weiter: "Manche haben Angst, was die Maschinen uns wegnehmen könnten." Doch im Zusammenhang mit der Ingenieurspsychologie spricht Pfeffer häufig von den Begriffen Autonomie und Freiheit. Trotz der Automatisierung, wie beispielsweise der Selbstbediener-Kasse im Supermarkt, soll "der Mensch das letzte Wort haben und Herr der Lage bleiben".

"Maschinen haben keine Bedürfnisse", führt Pfeffer weiter aus. Deshalb stehe am Anfang immer ein Mensch, der ein bestimmtes Bedürfnis habe und eine bestimmte Anforderung an die Technik stelle. "Die zentrale Frage ist: Was kann der Mensch und was die Maschine besser. Und durch die gemeinsame Interaktion kommt dann das Beste raus."

Seine Mitmenschen und ihren alltäglichen Kampf mit Technik beobachtet Stefan Pfeffer häufiger in seiner Freizeit – nicht nur im Balinger Café. "Man brennt ja dafür. Man läuft durch die Gegend und analysiert, was einem begegnet." Dann fügt er lachend hinzu: "Das ist manchmal belastend für die Mitmenschen, aber es hilft der Forschung und Lehre."