Am Balinger Bahnhof bedrohte ein Betrunkener Passanten. Foto: Schwarzwälder-Bote

49-Jähriger muss sich wegen Kurzschluss-Tat im Vollrausch vor Gericht verantworten.

Hechingen/Balingen - Zwei Jahre ist es her: Eine Frau steigt mit ihrem rumänischen Freund am Balinger Bahnhof aus dem Bus. Ein Betrunkener pöbelt sie an, fordert vom Freund Geld. Als der nicht reagiert, droht er mit dem Krückstock: "20 Euro, oder du bist tot!" Pech, der Rumäne versteht kein Wort Deutsch. Da versucht es der Krückenschwinger auf Englisch: "20 Euro, or I’ll kill you!" Der Rumäne rückt aber kein Geld raus, seine deutsche Freundin holt die Polizei, die Beamten machen den Betrunkenen in einer Kneipe gegenüber vom Bahnhof ausfindig.

Gestern stand der heute 49-Jährige aus einem Balinger Teilort vor dem Hechinger Amtsgericht. Der Vorwurf: versuchte räuberische Erpressung. Im Lauf der Verhandlung stellte sich dann heraus, dass der Angeklagte damals unter Arthritis litt, eine Knie-OP stand unmittelbar bevor, er hatte Schmerzmittel genommen und danach Alkohol getrunken.

Er könne sich an nichts mehr erinnern, beteuerte er vor Gericht. "Ich habe erst zwei oder drei Monate später das Schreiben gekriegt und erfahren, was passiert war", erklärte er.

Die Polizei hatte bei ihm nach der Krücken-Attacke einen Alkoholgehalt von 1,5 Promille nachgewiesen. Das allein hätte wohl kaum ausgereicht, um bei dem trinkfesten Mann eine Gedächtnislücke zu hinterlassen, überlegte Oberstaatsanwalt Karl-Heinz Beiter. Um zu klären, ob der Alkohol in Zusammenwirkung mit den Medikamenten zu dem Aussetzer geführt haben könnte, müsste ein Sachverständiger gehört werden.

Er wolle sich unbedingt ändern

Erschwerend kam hinzu, dass es im Vorstrafenregister des Angeklagten einige Vermerke gab, die mit Alkohol in Zusammenhang standen. Auch eine schwere räuberische Erpressung hatte es gegeben, ebenfalls im Rausch. Etliche Entgiftungen und stationäre Therapien hatten nicht zum gewünschten Ergebnis geführt. Jetzt mache er seit anderthalb Jahren eine Langzeittherapie, erklärte der Angeklagte. Er wolle sich in Zukunft unbedingt ändern und wieder eine feste Anstellung suchen. Zurzeit lebe er von Hartz IV und werde noch von seiner Lebensgefährtin unterstützt.

Als es um die persönlichen Verhältnisse des Angeklagten ging, offenbarte sich eine verkrachte Existenz: Führerscheinentzug nach Trunkenheitsfahrt, gescheiterte Ehe, eine Tochter, die bei der Mutter wohnt, seit Jahren keine feste Arbeitsstelle mehr.

Der Verteidiger bemerkte zwar, dieser Fall "schreie" geradezu nach Verfahrenseinstellung, aber darauf wollten sich Richter und Staatsanwalt nicht einlassen. Im besten Fall könne man von vorsätzlichem Vollrausch ausgehen, sagte der Oberstaatsanwalt.

Und wer sich vorsätzlich sinnlos betrinke und dann Straftaten begehe, werde auch verurteilt. Er könne sich allerdings eine Freiheitsstrafe von drei Monaten vorstellen, die für zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt werde.

Richter und Verteidiger einigten sich nach einer Sitzungsunterbrechung auf das Strafmaß, das der Staatsanwalt gefordert hatte. Der Angeklagte versprach unter Tränen, sich zu ändern und sein Leben in geordnete Bahnen zu lenken – auch seiner Lebensgefährtin zuliebe, die die Verhandlung mit verfolgte und die ausgerechnet gestern Geburtstag hatte.

"Ich will da raus", beteuerte er. Man war am Ende geneigt, es zu glauben.