Blick in die Zukunft: Peter Seifert (rechts) steht im Dachgeschoss des Balinger Bahnhofsgebäudes, das dereinst auch einmal zum Hotel ausgebaut werden könnte. Zunächst aber sollen neun Hotelzimmer im ersten Obergeschoss entstehen – noch in diesem Jahr. Foto: Maier

Peter Seifert will Balinger über Genussscheine für den Ausbau des Gebäudes gewinnen.

Balingen - Noch in diesem Jahr sollen im ersten Obergeschoss des Balinger Bahnhof Hotelzimmer fertiggestellt werden. Gebäudeeigentümer Peter Seifert stellte die Planungen am Freitag vor – und warb um eine Beteiligung.

"Pssst", sagt Peter Seifert, als er mit gut einem Dutzend Interessierten in einem Raum des Obergeschosses steht, "jetzt seien Sie einmal bitte alle für einen Moment ganz still." Alle halten die Luft an. "Hören Sie?", fragt Seifert in die Stille hinein. Die Frage nach der Lärmbelastung – vorne führt die vielbefahrene Bahnhofsstraße vorbei, auf der anderen Seite die Bahngleise – werde ihm oft gestellt, wenn es um das Gebäude gehe und das Thema, ob man darin ruhig leben oder wohnen könne. Man kann: Die Fenster sind neu, aber noch nicht richtig abgedichtet – gleichwohl hört man weder von der Straße noch von den Gleisen auch nur einen Ton. "Hören Sie?", fragt Seifert noch einmal.

Seit dem Kauf hat Peter Seifert mehr Geld in den Bahnhof gesteckt, als dieses gekostet hat

Diese Vorführung gehört mittlerweile wohl zu Seiferts Standardrepertoire wenn es darum geht, die Vorzüge des Bahnhofs in Balingen zu preisen – sowie seinem eigenen Anteil daran, wie sich das Gebäude seit dem Kauf vor mittlerweile viereinhalb Jahren entwickelt hat. Seit dem Kauf habe er mehr Geld ins Gebäude gesteckt, als dieses gekostet habe, so Seifert. Im Erdgeschoss ist das Café la Gare entstanden, samt schmucken Außenterrassen, dazu der Fahrradladen, außerdem betreibt Seifert den Fahrkartenschalter der Bahn. Nun folgt mit dem Hotel das nächste Projekt innerhalb des Hauses. Und damit der nächste Schritt, mit dem die Attraktivität des Bahnhofs, der auch dank Seifert in den vergangenen Jahren an Bedeutung gewonnen hat, weiter gesteigert wird.

Die Planungen dafür sind praktisch fertig, in den nächsten Tagen will Seifert das seiner Meinung nach genehmigungsfähige Baugesuch bei der Stadtverwaltung einreichen, mit dem die bisherigen Wohnungen und Büros einer neuen Nutzung zugeführt werden sollen. Entstehen sollen im ersten Obergeschoss neun Hotelzimmer mit insgesamt 16 Betten, jedes davon ist individuell gestaltet worden. Zwei davon im Stil des Jahres 1912, dem Jahr, als das Bahnhofsgebäude in Balingen gebaut wurde. Und eines, wie es sich gehört in einem Bahnhofsgebäude, als Schlafwagen – vielleicht sogar, so Seifert mit bübischem Grinsen, mit passender Geräuschkulisse: "Tschutschutschu", wenn etwa die Tür aufgeht.

Die Handwerker für die anstehenden Arbeiten stehen laut Seifert bereit. Trockenbau, Elektro, Wände und Decken, eine Brandmelde- und eine Schließanlage, die Einrichtung – vieles ist zu tun. Im September soll es losgehen, binnen drei Monaten, so sei ihm versichert worden, seien die Zimmer – davon eines als Appartment mit eigener Küche für langfristigere Gäste – fertiggestellt. Seifert hat bereits erste Reservierungen entgegengenommen, im Juli nächsten Jahres wollen vier "Bang-Your-Head"-Gäste im Bahnhof unterkommen.

Den Ausbau des ersten Obergeschosses hat Seifert mit rund 210 000 Euro kalkuliert. Der Bankberater seines Vertrauens würde ihm das Geld zur Verfügung stellen, aber Seifert will zumindest teilweise einen anderen Weg gehen: Er bittet selbst zum Vertrauen, Vertrauen in ihn, Vertrauen in das Vorhaben. Jedermann kann sogenannte Genussscheine mit einer Laufzeit von sieben Jahren zeichnen und so einen Teil der Investitionssumme beisteuern. Seifert garantiert einen jährlichen Zins von zwei Prozent sowie als Bonbon je Genussschein eine kostenfreie Übernachtung pro Jahr für den Inhaber. Mit den Genussscheinen, so Seifert, könne jeder zum Gelingen des Hotels sowie zur Entwicklung des Bahnhofsareals beitragen – und zugleich finanziellen Nutzen daraus ziehen. Der Preis eines Genussscheins steht noch nicht fest, im Gespräch waren zunächst 2500 Euro. Ein von den Genussscheineignern gewählter Beirat soll die Verwendung der Gelder überwachen und jährlich Rechenschaft ablegen.

Dass sich das Hotel im Bahnhof lohnen wird, davon ist Seifert nicht erst nach Gesprächen mit Hoteliers in der Region überzeugt. In Balingen gebe es eine hohe Nachfrage nach Zimmern und ein bisher sehr knappes Angebot. Folgerichtig hat er in den nächsten Jahren den Ausbau der Räume im zweiten Obergeschoss sowie des Dachgeschosses zu Hotelräumlichkeiten im Auge. Der Hotelbetrieb würde, so Seifert, die anderen Angebote im Bahnhofsgebäude – und andersherum – stützen: Gäste können mit der Bahn anreisen und direkt einchecken, möglicherweise mit einem E-Bike statt mit einem Auto weiterfahren – und im Café im Erdgeschoss abends noch ein Bierchen trinken, an manchen Abenden vielleicht noch ein Konzert hören, in jedem Fall aber morgens dort frühstücken.