Pierre Lingelser, Chef-Patissier der "Traube Tonbach" seit 1996. Foto: Traube Tonbach

Patissier bricht beruflich auf zu neuen Ufern. Zukunftspläne "noch nicht spruchreif".

Baiersbronn-Tonbach - Für den Elsässer Patissier Pierre Lingelser endet in diesem Winter nach 22 Jahren seine Zeit in der "Traube Tonbach". Das Ausnahmetalent ist nicht nur vielfach für sein Können geehrt geworden. Der gelernte Konditormeister wurde auch zum Vorbild vieler junger Patissiers.

"1996 holten wir einen aufstrebenden, 36-jährigen Patissier mit großem Talent zu uns in die Traube Tonbach", wird Heiner Finkbeiner, Gastgeber des Baiersbronner Traditionshotels, anlässlich der bevorstehenden Verabschiedung im Dezember in einer Pressemitteilung des Hotels zitiert. "Ende des Jahres verlässt Pierre Lingelser das Tonbachtal als Freund, Vorbild für den Nachwuchs und einer der Besten seiner Zunft. Wir freuen uns mit ihm und wünschen von Herzen alles Gute für seine neuen Pläne."

Nach prägenden Stationen zu Beginn seiner Laufbahn, darunter beim berühmten Gaston Lenôtre in Paris, Spitzenkoch Jean-Yves Schillinger in Colmar sowie im Restaurant Schwarzer Adler bei Franz Keller, übernahm Lingelser die Verantwortung für die Patisserie der "Traube Tonbach", heißt es in der Pressemitteilung weiter. Im Laufe der Jahre wurde der gebürtige Straßburger nicht nur für seine französischen Spezialitäten und filigranen Desserts der dreifach besternten Schwarzwaldstube gefeiert. "Unsere Gäste schätzen auch sein Händchen für Klassiker der deutschen Konditorkunst", so Finkbeiner. So gilt der alljährliche Christstollen der Traube Tonbach nach Lingelsers Originalrezept als bester Deutschlands. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung hatte das traditionelle Weihnachtsgebäck des Elsässers 2013 ausgezeichnet. Als Lehrmeister vieler junger Patissiers avancierte Pierre Lingelser indes zum Vorbild der Branche.

"Als Veteran meiner Zunft sehe ich rückblickend vor allem die enorme Entwicklung, welche die Patisserie in den vergangenen 20 Jahren durchlebt hat: Von einer einst kleinen Ecke nahe des Gardemangers bis heute, wo die Patisserie wie bei uns einen eigenen, voll ausgestatteten Bereich für sich hat. Ähnlich verhält es sich glücklicherweise mit den Akteuren und ihrer Wahrnehmung in der Öffentlichkeit", erklärt der 57-Jährige. "Ein guter Patissier ist heutzutage als Fachmann gefragt und unverzichtbar im Küchenkader jedes gehobenen Restaurants."

Nach zweifacher Auszeichnung als "Patissier des Jahres" 2004 und 2009 wurde Lingelser 2017 auf der Ernährungsmesse "Anuga" für sein Lebenswerk als Patissier-Ikone geehrt. "Sein Engagement für den Nachwuchs und seine außergewöhnlichen Desserts bleiben eine Bereicherung für die kulinarische Landschaft", hieß es in der Begründung der Jury.

So sieht es auch Torsten Michel, Küchenchef der Schwarzwaldstube, der seinen langjährigen Kollegen nicht nur für dessen Kreativität und Qualitätsanspruch dankt: "Pierre ist ein Künstler, sein Feinsinn für klassische Patisserie absolut vorbildlich. Obwohl wir 14 Jahre quasi Seite an Seite im Team der Schwarzwaldstube unseren Aufgaben nachgegangen sind, schätze ich ihn persönlich vor allem für die letzten zwei Jahre. In meiner ersten Zeit als Küchenchef war Pierre mir eine besondere Unterstützung."

Handarbeit nach französischem Vorbild

Durch Lingelsers zehnköpfiges Team entstehen täglich unzählige süße Petitessen, Kuchen und Desserts für die gesamte Gastronomie des Fünf-Sterne-Hotels. Egal, ob für opulente Torten, Gebäck oder Pralinen – beste Rohprodukte und aufwendige Handarbeit nach französischem Vorbild sind für den Meisterpatissier tonangebend. Viele saisonale Zutaten wie Walderdbeeren, Holunder oder Heidelbeeren lässt das Team im Schwarzwald sammeln. Die typischen Aromen seiner zweiten Heimat inspirierten ihn auch zu Neuinterpretationen bekannter Süßspeisen wie der geräucherten Dessertvariante einer Schwarzwälder Kirschtorte. "Neben Sauerkirschen und Kirschwasser von einer regionalen Brennerei geben geräucherter Schinkenspeck und Tannenharzhonig dem Gericht herzhafte Noten. Wie ein Waldspaziergang", beschreibt Lingelser seine eigene Kreation. Dass der gelernte Konditormeister für etwas Neues motiviert ist, steht außer Frage: "Es gibt schon Ideen, eine neue Herausforderung für mich, aber im Moment ist noch nichts spruchreif. Jetzt steht erstmal eine Auszeit mit der Familie an, und dann schaue ich, was 2019 bringt", freut sich Pierre Lingelser.

Wenngleich die Wirkungsstätte des Patissiers seit mehr als zwei Jahrzehnten in Baiersbronn war, blieb er seinem Elsässer Wohnsitz stets treu und pendelte an freien Tagen zwischen dem Schwarzwald und Frankreich. "Wir rechnen es Pierre immens hoch an, dass er über so viele Jahre Woche für Woche den Weg auf sich genommen hat, damit unsere Gäste in Tonbach in den Genuss seiner Patisserie kommen", unterstreicht Heiner Finkbeiner und schwärmt: "Seine gefüllten Zuckerkugeln oder Cannelés sind längst zu beliebten Klassikern geworden."

Auf die Frage, ob denn der Abschied groß gefeiert werde, bleibt sich der Elsässer in seiner zurückhaltenden Art ebenfalls treu: "Ich möchte gerne gehen, wie ich damals gekommen bin. Ohne viel Aufheben. Wir werden mit einem Glas Champagner und einem guten Essen mit der Familie auf das Erreichte und die gemeinsame Zeit im Schwarzwald anstoßen", verrät der Franzose. "Das Gute ist, dass eine Koryphäe wie Pierre Lingelser ja nie ganz geht", sagt Heiner Finkbeiner ein. "Er bleibt für uns alle, seine Kollegen und Weggefährten aus 22 Jahren, und unsere Gäste ein Traubianer." Und noch etwas bleibe vom Meisterpatissier, ergänzt der Seniorchef: "Dank Pierres Gespür für erstklassigen Nachwuchs hat er in den letzten anderthalb Jahren einen vielversprechenden, jungen Nachfolger wachsen und lernen lassen, damit dieser nun in seine kulinarischen Fußstapfen treten kann. Selbstverständlich auch ein Elsässer."