Das Naturerlebnis im Nordschwarzwald ist Teil der Nationalpark-Strategie. Foto: Lohmüller

Naturerlebnis als Gegenpol zur Digitalisierung. Experten warnen: nicht nur auf Landschaft und Bollenhut verlassen.

Baiersbronn - Die Gemeinden rund um den Nationalpark Schwarzwald haben sich viel vorgenommen: Nach dem Motto »Klotzen statt Kleckern« wollen sie in den nächsten zehn Jahren zur Nationalparkregion mit dem besten Tourismusangebot Deutschlands werden.

Eine zentrale Rolle beim Erreichen dieses Ziels soll der Verein der Nationalparkregion spielen. Er entstand aus den früheren Vereinen der Schwarzwaldhochstraße und ist ein Zusammenschluss von den insgesamt 18 Gemeinden und vielen Unternehmen rund um den Nationalpark Schwarzwald. Unter Federführung dieses Vereins haben Tourismusexperten, Vertreter des Landes, der Kommunen und der Nationalparkverwaltung in den vergangenen zwei Jahren ein Tourismuskonzept entwickelt, mit dem die Region jetzt durchstarten soll.

»Wir müssen den Nationalpark als Katalysator nutzen, um touristische Prozesse in Bewegung zu setzen«, erklärte Patrik Schreib, Geschäftsführer der Nationalparkregion, am Donnerstag bei der Vorstellung des 200 Seiten umfassenden Konzepts in Baiersbronn (Kreis Freudenstadt). Die klare Strategie in Zukunft: Die Besucher sollen Natur pur im Park und Schwarzwald pur in ihrer  Umgebung finden.

Damit liege die Region im Trend, wie Alexander Doderer und Jan Kobernuß von den Agenturen »Gruppe drei« und »ift Freizeit- und Tourismusberatung« versichern: »Der Schwarzwald passt mit seinem emotionalen Profil gerade voll in die Epoche und bedient die neue Sehnsucht der Menschen nach Natur, Stabilität, Heimat und Genuss«, meint Doderer. Das gelte für die bürgerliche Mitte ebenso wie für den modernen Performer aus dem Ballungsraum. Naturerlebnis und Stille als Gegenpole zur Digitalisierung und Ökonomisierung der Gesellschaft sieht auch Kobernuß als profitables Zukunftsfeld – nur echt müsse es sein, kein Fake.

Allerdings warnen die Experten davor, sich zu sehr auf landschaftliche Schönheit und Bollenhut zu verlassen: Die Ansprüche der Touristen würden in Zukunft steigen; wer das in Gastronomie, Freizeitbereich und Bettenbranche nicht verinnerliche, werde Federn lassen, prophezeit Doderer.

Exzellenz in allen Bereichen, vom Sternehotel bis zum Zeltlager und über die gesamte Servicekette hinweg soll der Besucher in der Nationalparkregion vorfinden, formuliert Schreib daher auch den »inneren Anspruch« der Verfasser des Tourismuskonzepts für den Nationalpark.
Wie verträgt sich ein Touristen-Boom mit den Naturschutzzielen?

Neben touristischen Attraktionen wie dem künftigen Besucherzentrum des Nationalparks, den geplanten Wildtierparks in Sasbachwalden (Ortenaukreis) oder an der Alexanderschanze (Kreis Freudenstadt), den Naturerlebnissen im Park oder den Genussküchen der Region, brauche man mehr gemeinsames Marketing und Kommunikation und mehr Qualitätsbetten, beispielsweise in Explorer- oder Baumhotels, fordert Schreib. Bei rund drei Millionen Übernachtungen und 21.000 Betten in der Region sieht auch Kobernuß durchaus noch Luft nach oben: Derzeit trage der Tourismus rund neu Prozent zum Volkseinkommen in der Region bei, eine Zahl die sich durchaus steigern lasse – vorausgesetzt, der Schwarzwald werde authentisch vermarktet, meint der Experte.

Und wie verträgt sich ein Boom beim Tourismus mit den Naturschutzzielen des Parks? Nationalparkdirektor Wolfgang Schlund sieht darin auf Grundlage des Konzepts keinen Widerspruch: »Aufgabe des Nationalparks ist der Naturschutz. Gerade deshalb brauchen wir eine Region mit attraktiven touristischen Angeboten außerhalb des Parks«, meint er.

Das Tourismuskonzept sei zudem eng mit dem bereits bestehenden Wegekonzept und dem Verkehrskonzept für den Park abgestimmt, das nächstes Jahr fertig sein soll. »So greifen alle Räder gut ineinander, um für die Menschen der Region und die Nationalparkgäste interessante Angebote machen zu können – und gleichzeitig die Belange des Naturschutzes zu berücksichtigen«, beteuert Schlund.