Im Südwesten sind aktuell zwei Wölfe (GW852m und GW1129m) bekannt, die dauerhaft im Schwarzwald leben. (Symbolfoto) Foto: Pixel-mixer/pixabay

Wissenschaftler plädieren für Abschüsse von "Problemtieren". Einzelne Tötungen durch Jäger sind kontraproduktiv.

Die Rückkehr des Wolfs im Schwarzwald polarisiert: Landwirte und Schäfer verteufeln das Raubtier, Naturschützer glorifizieren es dagegen aus der Sicht des Freiburger Ökologen Albert Reif.

Freiburg - Wie seine Kollegen Eckhard Jedicke von der Hochschule Geisenheim, Rainer Luick von der Hochschule Rottenburg (Kreis Tübingen) und weitere Praktiker der Weidetierhaltung fordert Wissenschaftler Reif daher Pragmatismus im Umgang mit Wölfen. Für Baden-Württemberg sei dies aktuell noch nicht relevant, jedoch in anderen Bundesländern wie etwa Brandenburg schon: Demnach müssten "Problemwölfe" nach Angriffen auf Weidetiere konsequent bejagt werden, sagt Reif. Das Gesetz gebe das auch her. Allerdings müsse man genau hinschauen und definieren, wann ein Wolf tatsächlich zum Problemtier wird.

"Bei den bisherigen Rissen von Schafen in der Region war das nicht der Fall", betont der Forscher. Denn: In allen zuletzt dokumentierten Fällen von Wolfsrissen in Baden-Württemberg sei der nötige Herdenschutz der getöteten Schafe nicht gegeben gewesen. "Erst wenn ein Wolf lernt, den sogenannten Grundschutz mit einem mindestens 90 Zentimeter hohen Elektro-Zaun zu überwinden, kann man wirklich von einem Problemwolf sprechen", erklärt Reif. Da müsse dann aber auch der Naturschutz "seine Scheuklappen" abnehmen, wenn man mittelfristig mehr Akzeptanz für den Wolf in unseren Breiten erreichen wolle. In der Praxis sei es ohnehin schwer genug, "Problemwölfe" zu suchen, zu finden und zu schießen.

Der Wolf mache gerade in für den Naturschutz besonders wertvollen Steillagen wie etwa dem Schwarzwald eine Beweidung mit Schafen "richtig schwierig", sagt der Forscher. Ähnlich wie in Brandenburg, wo heute schon mehr als 300 Wölfe leben, werde es auch im Schwarzwald im Lauf der kommenden Jahrzehnte wieder Wolfsrudel geben. Im Rudel sei der Wolf einerseits zwar weniger gefährlich für Weidetiere als einzeln auftretende Raubtiere. Aber die Herausforderung für die Schäfer, einen lückenlosen Grundschutz mit Elektro-Zäunen einzurichten, sei dennoch enorm. "Der Wolf sucht und findet die Lücken im Zaun", wie Reif betont.

Einzelne Tötungen durch Jäger sind kontraproduktiv

Am europaweiten Schutzstatus des Wolfs zu sägen, sei nicht das Ziel, meint der Wissenschaftler weiter: "Wir dürften nicht von anderen, oftmals ärmeren Ländern verlangen, ihre Tiger oder Löwen zu schützen, während wir im reichen Deutschland nicht mit dem von selbst eingewanderten Wolf zurechtkommen." Auch einzelne, illegale Abschüsse durch Jäger seien kontraproduktiv, da die Zerstörung eines Rudels zu mehr Übergriffen führe.

"Also muss man die Schäfer maximal unterstützen, wenn man nicht will, dass sie Flächen aufgeben und die Landschaft sich als Folge davon verändert." Schutzzäune und -hunde würden vom Land, anders als in anderen Bundesländern, bereits vorbildlich finanziert. Aber es werde dennoch keine Lösung geben, bei der am Ende alle zufrieden sind. Das liege auch an der wirtschaftlichen klammen Situation der Schäfer.

Die Förderung des Herdenschutzes ist Teil einer Lösung, eine Besserung der betrieblichen Situation müsse aber auch die katastrophalen Lamm- und Wollpreise aufgreifen. Dennoch sei beim Thema Grundschutz der Tierhalter in der Pflicht: Risse durch Hunde habe es ja auch in der Vergangenheit und ohne den Wolf im Schwarzwald schon immer gegeben.

Derzeit leben nachweislich zwei Wölfe im Schwarzwald: GW852m und GW1129m lauten deren wissenschaftliche Namen. Wie groß das Interesse der Bevölkerung an der Rückkehr des Wolfs im Land ist, habe ihm nicht zuletzt seine jüngste Veröffentlichung zu dem Thema auf der Internetseite der Uni Freiburg gezeigt, berichtet Reif abschließend. "Kein Artikel ist dort in den vergangenen Tagen so oft gelesen worden wie unserer", sagt der Forscher. "Nicht einmal die Veröffentlichungen zum Thema Corona."