Drei Heidschnucken hatte Tilman Blezinger auf der Weidefläche beim Sommerberg-Hotel. Nun ist ein Mutterschaf tot und das Lämmchen verschwunden. Foto: Fellstrom

Mutterschaf tot, Lamm verschwunden. Merkel drängt auf Abschuss-Entscheidung. Mit Video

Bad Wildbad - Ist der Wolf zurück in Bad Wildbad? Fast genau ein Jahr nach dem Wolfsangriff in Bad Wildbad (Kreis Calw) mit mehr als 40 toten Schafen wurde in der Nacht von Montag auf Dienstag erneut ein Schaf getötet, ein Lamm ist verschwunden.

Mehr zu dem Wolfsangriff vor gut einem Jahr im Video:

Tilman Blezinger klingt gefasst am Telefon. Aber: "Natürlich ist es hochärgerlich", sagt er. Erst am Dienstagnachmittag gegen 13 Uhr entdeckte er das Schaf. Er selbst wohnt auf einem Anrainergrundstück mit Blick auf das Weideland. In der Nacht hat er aber nichts von einem Angriff bemerkt. Heidschnucken würden aber erst mal wegrennen, ohne zu rufen, erklärt er.

Als er das tote Schaf gesehen hat, habe er gleich erkannt, dass das eine schwere Verletzung sein musste. "Normalerweise sterben meine Schafe am Alterstod", erklärt er, dass er die Tiere als "Rasenmäher" zur Bewirtschaftung der Freifläche einsetzt. Nach wie vor verschwunden ist das kleine Lämmchen, das erst am 12. April geboren wurde und noch von der Mutter gesäugt wurde. Auch bei einer Suchaktion im Wald habe er keine Spuren gefunden, sagt er und vermutet, dass es verschleppt wurde.

"Rissabstriche wurden zur genetischen Analyse an das Senckenberg-Institut geschickt. Verlässliche Aussagen darüber, was für ein Tier für den Riss verantwortlich ist, sind bis zum Ergebnis der Analyse nicht möglich", teilt das baden-württembergische Umweltministerium in einer Presseerklärung mit. 

Eigentlich ist er gerade dabei, die kleine Herde wieder aufzustocken. Waren es bis Dienstag drei Tiere, so sollten wieder sechs bis acht Heidschnucken auf der großen Fläche grasen, die von der Terrasse des Restaurants eingesehen werden kann. "Die haben da eine große Spielwiese", sagt er. Sechs bis acht Schafe sei genau die richtige Zahl, um die Fläche abzugrasen und somit zu pflegen. Aber dieses Vorhaben legt er jetzt erstmal auf Eis – "bis der Zaun gebaut ist".

Dass der bisherige Zaun nicht wolfssicher gewesen sei, teilt das baden-württembergische Umweltministerium in einer Pressemeldung mit. Aber das wusste Blezinger bereits davor. Deshalb hatte er bereits im vergangenen Jahr mit dem Bau eines neuen Zauns angefangen. "Wäre der Zaun gestanden, wäre vielleicht nichts passiert. Aber wir waren einfach zu langsam", sagt er. Zum einen sei es eine Kostenfrage, außerdem habe es die winterliche Witterung auf dem Sommerberg nicht zugelassen, das riesige Areal bereits jetzt komplett einzuzäunen. Zu einer möglichen finanziellen Unterstützung über die "Förderkulisse Wolfsprävention" wird er nun vom Landratsamt Calw und der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt (FVA) in Freiburg beraten.

Experten der FVA und des Landratsamts sowie Forstrevierleiter Andreas Wacker waren am Dienstagabend ebenfalls vor Ort. Genetische Untersuchungen sollen nun klären, ob es wirklich ein Wolf und vor allem der alte Bekannte "GW852m" war, der die Schafe angegriffen hat. Auch wenn das noch nicht sicher ist, wirkliche Zweifel daran hat Blezinger nicht. Dennoch wirkt er gefasst und nicht wirklich wütend auf den Wolf. "Ich bin wertneutral", sagt er. Natürlich sei es sehr schade, dass ein Tier gestorben sei, aber "ich glaube nicht, dass wir uns gegen den Wolf wehren können", sieht er die Sache realistisch. Die FVA-Experten hätten ihm Schutz durch "Nachtwächter" des Vereins "Wikiwolves" angeboten, sagt er. Dies habe er aber abgelehnt.

Abschrecken lassen will er sich aber von dem Angriff nicht. "Aber jetzt wird erst der Zaun gerichtet".

Viel Nahrung für den Wolf auf Sommerberg

Denn er kann sich gut vorstellen, dass sich der Wolf noch öfter auf dem Sommerberg blicken lässt. Der ist nämlich nicht nur eine Attraktion für die vielen Touristen, die hier verkehren. "Es gibt wahnsinnig viel zu essen für ihn hier oben", ist er sich sicher. Denn vor allem abends sehe man sogar als Spaziergänger viel Wild in den weiten Wäldern des Sommerbergs.

Blezinger erzählt die Geschichte von Schäfern aus Norddeutschland, die am Abend ein "Opferschaf" oder "Opferlamm" vor den Zaun stellen würden. Durch diese leichte Beute soll der Rest der Herde geschützt werden, falls ein Wolf die Herde angreife. Dies sei dort relativ weit verbreitet, erzählt er. Und hofft, dass solche Maßnahmen hier in der Region nicht ebenfalls nötig werden.

Merkel drängt auf Abschuss-Entscheidung

Von Wolfgang Hartmann

Die Debatte um den Wolf zeigt, dass der Artenschutz an Grenzen stößt, wenn Urängste hochkommen und wirtschaftliche Interessen berührt sind. Die Kanzlerin will das Thema bald geklärt wissen.

Innerhalb der Bundesregierung finden nach wie vor intensive Gespräche zum Thema Wolf statt, um im Sinne des Koalitionsvertrages zu einer guten Lösung zu kommen. Das teilte eine Regierungssprecherin auf Anfrage unserer Zeitung mit. Konkrete Angaben zur Abschussregelung, Gewichtung der Argumente von Naturschützern und Nutztierhaltern oder gar zum Zeitplan bis zur Erarbeitung eines Konzepts wollte sie nicht machen.

Aus naheliegenden Gründen: "Hierbei handelt es sich um eine komplexe Thematik, bei der Einzelfragen zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht isoliert betrachtet werden können." Und weiter: Die Ergebnisse der Gespräche sollten daher abgewartet werden. Bisher haben sich Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) und ihre Agrar-Kollegin Julia Klöckner (CDU) nicht darauf einigen können, unter welchen Umständen Wölfe erschossen werden dürfen.

Am Dienstag ist indes in Bad Wildbad (Kreis Calw) ein Schaf gerissen worden. Laut Pressemitteilung der Stadt sei ein Wolfsangriff wahrscheinlich, aber noch nicht bestätigt. Bereits am 30. April hat eine Wildtierkamera dort einen Wolf fotografiert.

Im Südwesten sind bisher zwei Wölfe nachgewiesen worden. In Ostdeutschland ist das Thema politisch brisanter, da Schafzüchter mit Wolfsrudeln konfrontiert werden. Vor den Landtagswahlen in Sachsen, Brandenburg und Thüringen will Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) eine Entscheidung – nicht zuletzt, um auch der AfD die Wahlkampf-Munition zu nehmen.