Die überlebenden Schafe werden in Sicherheit gebracht. Foto: Mutschler

Gernot Fröschle verliert dutzende Tiere. Verband fordert umfassende Herdenschutzmaßnahmen.

Bad Wildbad - Es ist ein Bild des Schreckens, das sich an diesem Montagmorgen bietet. Auf der Weide, direkt an der L 351 zwischen Bad Wildbad und Enzklösterle liegen tote Schafe. Bei vielen ist die Bauchdecke aufgerissen, und man sieht Mägen und herausgequollene Gedärme. Weitere tote Schafe liegen in der Enz. Der Rest der Herde drängt sich am äußersten Rand der Weide, während die Mitarbeiter der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA) aus Freiburg die toten Schafe untersuchen.

Landwirt Gernot Fröschle, der Besitzer der Schafe, ist immer noch ganz aufgelöst. Er war es, der die toten Tiere am Montagmorgen gefunden hat. "Ich bin um 6 Uhr rausgefahren. Da standen die Schafe ganz oben in der Ecke", erzählt er. Da habe er sofort gewusst, dass etwas nicht stimme. Als er dann die toten Tiere gesehen hatte, habe er gleich gedacht: "Das war ein Wolf. Das kann gar nicht anders sein." 16 Schafe seien gerissen worden, noch einmal 16 in der Enz ertrunken, als sie in Panik versucht hätten, sich in Sicherheit zu bringen, sagt Fröschle. Zusätzlich untersucht ein Tierarzt eine große Anzahl Tiere, von denen noch einmal rund zehn aufgrund schwerer Verletzungen getötet werden mussten.

"Es sieht alles sehr nach Wolf aus", bestätigt Felix Böcker von der FVA. Wenn kein Zaun ringsum gestellt sei, "ist das Eindringen kein Problem", sagt Böcker.

Umweltministerium sagt dem betroffenen Landwirt rasche Entschädigung zu

Genau das Einzäunen sei aber an dieser Weidefläche ein Problem, erläutert Anette Wohlfarth, Geschäftsführerin des Landesschafzuchtverbandes Baden-Württemberg. Denn die Wiese grenzt an die Enz. Direkt am Gewässer sei ein Zaun aufgrund des felsigen Geländes nicht möglich, sodass der Zaun weiter oben angebracht werden müsste. Dadurch "verbusche" das Ufer. "Will man das?", fragt sie. Der Wolf sei gesellschaftlich gewollt, dann solle die Gesellschaft auch unterstützen, sagt Wohlfarth weiter.

Das Umweltministerium sagte in einer Pressemeldung Hilfe zu: "Falls sich der Verdacht bestätigt und die Risse auf das Konto eines Wolfs gehen, kann der betroffene Schäfer mit einer raschen Entschädigung rechnen." Den materiellen Schaden beziffert Fröschle auf etwa 5000 Euro.

Doch dieser Schaden ist für ihn noch nicht das Schlimmste. Mit seinen rund 850 Schafen, circa 30 Hinterwälder-Rindern und einigen Ziegen betreibt er Landschaftspflege auf insgesamt 155 Hektar Fläche im Enztal. Vor wenigen Tagen hat er die erste Schafherde wieder aus dem Stall auf die Weide geführt – fünf Tage später heißt es nun Kommando zurück. Zunächst kommen alle noch verbliebenen Schafe wieder in den Stall.

"Wir wissen nicht, was wir machen sollen", sagt Fröschle, der die Landwirtschaft gemeinsam mit seiner Frau, fünf Kindern und einem Schwiegersohn betreibt. Die Schafe will er jetzt erst mal nicht wieder rauslassen. "Das kann man nicht", sagt er.

Doch das stellt den Familienbetrieb vor einige Probleme. Zum einen werde das Winterfutter langsam knapp. Außerdem hat Fröschle Verträge zur Landschaftspflege abgeschlossen, die eingehalten werden müssen: "Das Gras wächst, ich weiß nicht, wie ich meine Aufträge erfüllen soll."

Schäfer: Wolf hat hierzulande keine Existenzberechtigung

Fröschle hat Angst um seine Existenz. "Wir kommen gerade so über die Runden", sagt er, "und jetzt das". "Seit 20 Jahren machen wir das – es war noch nie etwas. Mir steht es hier", sagt er – und hält die flache Hand in die Höhe der Nase. Es sei bekannt, dass sich ein Wolf seit mehreren Monaten dauerhaft im Nordschwarzwald aufhalte. "Das wird nur nicht bekannt gemacht", sagt Fröschle. In den kommenden Tagen oder Wochen soll nach seiner Einschätzung offiziell werden, dass die Gegend nun ein "wolfsresidentes Gebiet" sei, also eine Gegend, in der sich ein Wolf permanent aufhält. Fragt man ihn nach seiner Meinung, was mit dem Tier in der Gegend von Bad Wildbad geschehen soll, erhält man eine eindeutige Aussage: "Der Wolf hat seine Berechtigung in dünn besiedelten Gebieten wie Sibirien oder Kanada." Aber eben nicht hier.

Anette Wohlfarth geht davon aus, dass dieser Schafsriss kein Einzelfall bleiben wird. Deshalb müssten "Herdenschutzmaßnahmen her, die umsetzbar sind. Wir müssen Lösungen finden, auch gegen den Wolf", sagt sie.

Nach dem Wolfsangriff ist die Debatte über die Raubtiere neu entbrannt. Maßnahmen gegen die ungehinderte Ausbreitung hatten CDU, CSU und SPD auch in ihrem Koalitionsvertrag festgeschrieben. "Im Umgang mit dem Wolf hat die Sicherheit der Menschen oberste Priorität", heißt es dort. Die EU-Kommission soll aufgefordert werden, "den Schutzstatus des Wolfs abhängig von seinem Erhaltungszustand zu überprüfen, um die notwendige Bestandsreduktion herbeiführen zu können". Zudem will der Bund mit Ländern und Wissenschaft Kriterien entwickeln zur "letalen Entnahme", wie das Abschießen umschrieben wird.