Andreas Wacker, Revierleiter in Bad Wildbad, schält mit einem Messer Rinde vom Baum, um diesen auf Käferbefall zu überprüfen. Fotos: Mutschler Foto: Schwarzwälder Bote

Natur: Förster und Waldarbeiter kämpfen gegen Borkenkäfer und Trockenheit / Wenn Bäume befallen sind, heißt es schnell sein

Andreas Wacker ist Revierleiter in Bad Wildbad und für 1350 Hektar Stadtwald, unter anderem auf dem Sommerberg, zuständig. Und obwohl er sagt, dass der Stadtwald im Hinblick auf den Borkenkäfer bislang noch mit einem blauen Auge davon gekommen sei, stellt er dennoch klar: "Wir laufen voll im Katastrophenmodus."

Bad Wildbad. Bislang haben die Waldarbeiter im Bad Wildbader Stadtwald in diesem Jahr rund 1300 Festmeter Holz eingeschlagen. "Bis jetzt nur Schadholz", sagt Wacker. Den Frischholzeinschlag habe man komplett eingestellt. Denn im Moment versuche man, "den Käfer einzudämmen". Mit Käfer meint der Förster den Borkenkäfer, genauer gesagt den "Buchdrucker", der seinen Namen von der Form hat, wie er seine Larvengänge unter der Rinde der Fichte anlegt. Wacker rechnet damit, dass man dieses Jahr noch über 2000 Festmeter kommen werde.

Harz zur Abwehr

Der Buchdrucker, auch Großer achtzähniger Fichtenborkenkäfer (Ips typographus) genannt, befällt vor allem Fichten. Wenn das der Fall ist, versucht der Baum, Harz abzusondern und so den Käfer abzuwehren. Bei einem gesunden Baum kann das gelingen. Wenn der Baum aber krank oder geschwächt ist, etwa durch Blitzeinschlag, einen Sturm, oder die Zahl der Käfer, die den Baum befallen, zu groß ist (800 bis 1000), gelingt das nicht mehr. "Bei so einem Befall kann man den Baum nicht mehr retten", sagt Wacker. Dann gilt es, Schadensbegrenzung zu betreiben und die geschädigten Bäume so schnell aus dem Wald herauszunehmen, zu fällen also, damit dem Buchdrucker möglichst wenig umstehende Fichten zum Opfer fallen.

Dabei heißt es schnell sein. Denn der Borkenkäfer braucht etwa vier bis sechs Wochen, bis seine Nachkommen – die nächste Generation – ausflugreif sind. In dieser Zeit legt der Käfer die sogenannte "Rammelkammer" an. Von dieser aus gräbt das Weibchen den Muttergang. Es folgt die Eiablage und die daraus entstehenden Larven fressen sich in der Rinde senkrecht vom Muttergang weg, sodass das für den Buchdrucker typische Muster entsteht. Sobald die Larven ausflugreif sind, bohren sie sich nach außen und schwärmen aus zum nächsten Baum.

"Aus einem Käferbaum werden 20, aus 20 werden 400, wenn man ihn nicht findet", sagt Wacker. Wenn der Käfer, so wie im vergangenen Jahr durch Trockenheit und ein warmes Frühjahr, drei Generationen ausbilden kann, können also aus einem Käferbaum bis zu 8000 befallene Fichten werden.

Diesen "worst case", den schlimmsten Fall, gilt es also zu verhindern. Und deshalb hält Wacker mit seinen Kollegen und den Waldarbeitern Ausschau nach einem "Käfernest". Das ist gar nicht einfach zu erkennen, denn gerade in den schwer zugänglichen Hanglagen ist es abseits der Wege fast unmöglich, die einzelnen Bäume abzulaufen.

Rotfärbung als Indiz

Am leichtesten zu erkennen sei ein "Käfernest" aus der Ferne, also zum Beispiel von der gegenüberliegenden Hangseite, erklärt der Förster. So ist es zum Beispiel am Skilift auf dem Sommerberg. Auf der anderen Seite, am Rennbachhang, zeigt er auf eine Stelle im Wald, die eine deutliche Rotfärbung aufweist – ein klares Indiz für bereits mehrere geschädigte Bäume.

Laut Wacker gibt es fünf Anzeichen eines Käferbefalls. Da sind Einbohrlöcher, an denen Harz austritt, wenn der Baum versucht, den Käfer abzuwehren. Außerdem ist am Fuß des Baums braunes Bohrmehl zu finden, das von den Käfern bei der Anlage von Rammelkammer und Muttergang ausgeworfen wird. Ebenfalls ein Zeichen für einen Käferbefall ist es, wenn die Fichte Nadeln abwirft, die dann massenhaft unter dem Baum zu finden sind. Gut zu sehen ist es auch, wenn der Specht den Käfer entdeckt hat. Dann sind helle Platten zu sehen, an denen die Rinde des Baumes fehlt. Und dann ist da noch die bereits genannte Rotfärbung des Baums. Wenn eines oder mehrere dieser Anzeichen entdeckt werden, heißt es schnell sein und Schadensbegrenzung zu betreiben.

An einem geschädigten Baum demonstriert Wacker die Vorgehensweise. Mit einem Messer schält er Rinde vom Baum, auf der Suche nach Käfer oder Larven. Fündig wird er an diesem Baum zwar nicht, die Anzeichen wie Bohrmehl, umliegende Nadeln und dürre Äste sind aber eindeutig. An der Stelle am Wildbader Hangweg unterhalb der Hängebrücke "muss man jetzt schnell reagieren und zwei Bäume fällen", sagt Wacker. Der Baum, an dem bereits die "Ausfluglöcher" zu sehen sind, über die die Käfer den Baum verlassen haben, bleibt dabei stehen. Der sei bereits tot, von ihm geht also keine Gefahr mehr aus.

Eine deutlich größere Fläche wird an einer anderen Stelle gerodet: Auf dem Hünerberg fällen die Waldarbeiter mindestens 20 Bäume und hoffen, so der Käferplage an dieser Stelle Herr zu werden. Und die nächsten Käferlöcher warten schon. "Wir laufen voll im Katastrophenmodus", sagt Wacker. Im Moment sei man von einem geregelten Wirtschaftsbetrieb weit weg.

80 Millionen Festmeter

Das ist nicht nur harte Arbeit, sondern auch wirtschaftlich ein schlechtes Geschäft. Denn bei der derzeitigen Situation handelt es sich nicht um lokale Ereignisse. Vor allem im vergangenen Jahr haben Stürme und Käfer für 80 Millionen Festmeter Schadholz gesorgt. Zum Vergleich: Die europaweite Sägekapazität beträgt 40 Millionen Festmeter pro Jahr. Der Markt ist also mehr als gesättigt. Das bedeutet, dass die Preise in den Keller gehen. Auch deshalb gibt es außer dem Schadholz keinen anderen Holzeinschlag, da kaum vernünftige Preise auf dem Markt zu erzielen seien. Das bedeutet auch finanzielle Einbußen für die Stadt. Denn bislang war der Wald ein zuverlässiger Gewinnfaktor, der jährliche Erlöse im sechsstelligen Bereich abwarf. In diesem Jahr – und möglicherweise auch darüber hinaus – dürfte es im günstigsten Fall auf ein Null-auf-Null-Geschäft hinauslaufen und es erscheint nicht unwahrscheinlich, dass Bad Wildbad mit dem Stadtwald ein Minus machen wird.

Zwar sind in den Mischwäldern, etwa auf dem Sommerberg, in geringerem Maße auch Buchen und Tannen von der Trockenheit betroffen. Das Hauptproblem sind aber die "Fichtenäcker" in den Hanglagen.

Diese wurden nach dem Zweiten Weltkrieg angelegt. Denn Engländer und Franzosen verlangten als Reparationszahlungen auch Holz. Und diese Holzeinschläge, "E- und F-Hiebe" genannt, sorgen dafür, dass ganze Waldgebiete kahl geschlagen wurden. Damit die Böden, vor allem in den Steillagen, nicht wegerodierten – und weil Holz dringend benötigt wurde – wurde die schnell wachsende Fichte gepflanzt, teilweise in regelrechten Monokulturen.

Und genau hier gibt es nun die Probleme. Und wenn man Wacker fragt, hat dies auch mit dem Klimawandel zu tun. "Man hat den Eindruck, dass es häufiger vorkommt", sagt er.

Für die Zukunft bedeute dies, dass der Anteil der Fichte im Schwarzwald zurückgehen werde und es ein anderes Waldbild gebe. So gibt es bereits Modelle, mit denen berechnet werden kann, welche Bäume in Zukunft in welchen Regionen ungeeignet sind. Im Schwarzwald wird bereits jetzt vermehrt die Douglasie angebaut, da sie besser mit wärmeren und trockeneren Perioden zurechtkommt als etwa die Fichte. Und es gibt noch wenig Schädlinge, die diese Baumart befallen. Noch. Denn in ersten Berichten heißt es, dass der Buchdrucker mittlerweile auch die Douglasie befällt.

So scheint sicher, dass die Waldwirtschaft nicht nur in Bezug auf die wirtschaftliche Situation in Zukunft deutlich angespannter sein dürfte.

Dem feucht-kühlen Mai folgte ein sehr warmer Juni und Juli – die zunächst verzögerte

Buchdruckerentwicklung ist damit nun wieder aufgeholt und liegt 2019 im langjährigen Durchschnitt, teilt die Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt in ihrem Borkenkäfer-Newsletter mit. Seit Ende Mai herrsche fast durchgehend intensive Schwärmaktivität und landesweit ein hohes Befallsrisiko. Letzteres werde durch den Hauptschwarm der F1-Generation bei derzeit optimalem Flugwetter vielerorts sogar nochmals ansteigen. Nur konsequente wöchentliche Befallskontrollen in Verbindung mit rechtzeitigem Abtransport oder Unschädlichmachen (zum Beispiel Hackung) des Schadholzes helfen, die Kalamität wirksam einzudämmen. Bis etwa Mitte Juni war diese intensive Schwärmaktivität primär auf die extrem hohe Ausgangspopulation der überwinterten Parentalkäfer zurückzuführen. In der Folge bewirkten dann der Ausflug der Parentalgeneration zur Anlage der Geschwisterbrut und vor allem der Ausflug der fertig entwickelten Filialgeneration (F1) die weit über dem Durchschnitt liegenden Schwärmdichten.