Leithirsch Friedel hat noch einen Teil des Schlittenseils im Geweih hängen. Foto: Bechtle Foto: Schwarzwälder Bote

Natur: Hirsch-Gehege auf der Kaltenbronn hat zehn Tiere und wird seit 15 Jahren von Michael Wieland aus Sprollenhaus betreut

Bad Wildbad / Kaltenbronn. "Spazierfahrten zum Großherzoglich Badischen Forsthaus Kaltenbronn" gehörten vor dem Ersten Weltkrieg zu den Vergnügungen der Wildbader Kurgäste, während adlige Gäste aus dem Großherzogtum Baden und aus dem Kaiserreich den Kaltenbronn zur Auerhahn- und Rotwildjagd aufsuchten.

Selbst der deutsche Kaiser Wilhelm II. weilte auf dem Kaltenbronn, wie ein Eintrag im Gästebuch am 26. April 1895 ausweist. Aus diesem Grund trägt auch der zwei Jahre später in Stein erbaute Aussichtsturm auf dem Hohlohkopf heute noch den offiziellen Namen "Kaiser-Wilhelm-Turm", für dessen Bau sich vor allem der Schwarzwaldverein Gernsbach finanziell und materiell eingesetzt hatte.

Pro Woche zehn Tonnen Rüben, 300 Heuballen

Heute fährt man nicht mehr zur Jagd auf den Kaltenbronn, sondern zur Erholung, zum Wandern und zum Skilauf. Der Kaltenbronn ist ein Tourismusmagnet. Hotel, Skilifte und Langlaufloipen, die beiden Hochmoore Wild- und Hohlohsee, sowie zahlreiche Wanderziele laden zum Verweilen ein. Seit mehr als einem Jahrzehnt gibt es im ehemaligen Rasthaus das Infozentrum Kaltenbronn mit multimedialen Stationen, einer interaktiven Ausstellung sowie Vorträgen und Themenführungen, ein Angebot, das jedem Besucher, ob Groß oder Klein, etwas bietet.

Ein besonderes Kleinod ist außerdem das am Weg zum Wildsee gelegene Hirschgehe mit derzeit zehn Tieren, dem Platzhirsch Friedel, sechs Hirschkühen und drei Hirschkälbern. Das seit mehr als sechs Jahrzehnten bestehende Rotwildgehege wird seit etwa 15 Jahren von Michael Wieland aus Sprollenhaus betreut, mit einer Fläche von über zwei Hektar, teils Wiese, teils Wald, die er vom Landesbetrieb Forst Baden-Württemberg gepachtet hat.

Wieland ist von Beruf Zimmermann, aber bereits als Bub in Reichental hatte er oft Kontakt mit den Waldtieren: "Ich bin als kleiner Kerle mit Rotwild aufgewachsen." Daher stammt also seine Leidenschaft für die Tiere, er nennt es "Meine Tiere sind mein Hobby!"

Wer dieses Hobby betreibt, muss täglich vor Ort sein. Denn für zehn Tiere reicht das Nahrungsangebot auf dem umzäunten Wildgehege keineswegs aus, vor allem fehlt Grünzeug und Dickicht. Hirsche sind wie jedes Rotwild Wiederkäuer. Auch wenn sich die Tiere im Gehege nicht so stark bewegen, wie in der freien Wildbahn, muss zugefüttert werden. Zehn Tonnen Rüben, 300 Ballen Heu und im Winter einen Sack Zusatzfutter brauchen die Tiere jede Woche, außerdem zehn Tonnen Apfeltrester. Außerdem sind Rindenreste wichtig, welche die Tiere zur Verdauung brauchen.

Weitere Kosten entstehen durch die jährlich einmal stattfindende tierärztliche Kontrolle, das regelmäßige Richten und Ausbessern des Zaunes, auch zum Schutz vor allzu neugierigen Besuchern, gegen Hunde und den Wolf, obwohl Wielands fünfjähriger Leithirsch Friedel, der mehr als 200 Kilo wiegt, für den Wolf gefährlich werden könnte. Allerdings glaubt Wieland, dass sich ein Wolf nicht ins Hirschgehege trauen würde. Dass Wieland einen Jagdschein besitzt, ist eigentlich selbstverständlich, auch wenn er nicht auf die Jagd geht, außerdem kann er auch einen Hegeschein vorweisen.

Friedel hatte ein Schlittenseil im Geweih

Junghirsche verkauft er, wenn sie etwa drei Jahre alt sind, da sie sonst zur Konkurrenz für den Leithirsch werden. Bei den Hirschkühen ist das anders. Hier herrscht eine klare Rangordnung, die sich nach dem Alter richtet. Wenn die Hirschkälber beim Fressen zu aufdringlich sind, rupfen ihnen die Alttiere Haare aus dem Fell, um sie beiseite zu drängen. Wielands älteste Hirschkuh ist Rosa, 23 Jahre alt. Sie ist das Leittier, ungewöhnlich zutraulich und die einzige, die sich mit Leckerbissen füttern lässt. Zur Blutauffrischung verkauft und kauft er immer wieder neue Hirschkälber dazu, um Inzucht zu vermeiden. Allerdings nicht aus der Umgebung, sondern aus Bayern.

Seine Tiere kennen ihn und wenn er täglich mit dem Auto vor das große Tor am Zaun anrollt, wissen die Tiere Bescheid: "Jetzt gibt’s was zu fressen!" Aber einen gewissen Abstand halten sie stets ein. Wieland sagt: "Die lassen sich nicht streicheln, beim Leithirsch ist es sowieso besser, man hält einige Meter Abstand." Trotzdem gelang es ihm, einen Teil des Rodelschlittenseils, das kürzlich vom Geweih von Friedel herunterhing (wir berichteten), abzuschneiden. "Den Rest wirft Friedel mit dem Geweih im März oder April ab." Nach dem Abwurf des Geweihs braucht der Hirsch etwa die doppelte Nahrungsmenge, um ein neues Geweih zu bilden, das massiv und schwer wie ist und sehr schnell wächst. Die Zahl der Geweihenden lässt allerdings nicht auf das Alter schließen, das zeigt sich bei "Friedel", der fünf Jahre alt ist, aber 15 Geweihenden aufweist, also ein "ungerader Sechzehnender" ist. Die Zahl der Enden hänge von der Nahrungsmenge ab, so Wieland.

Die mehrjährigen Hirschkühe (ohne Geweih) werfen im Frühsommer ein Kalb, sofern sie befruchtet wurden. Die Schwangerschaft dauere etwa acht bis neun Monate, ähnlich wie beim Menschen, so Wieland. Wann macht Michael Wieland Urlaub? "Eigentlich nie! Ich muss doch nach meinen Tieren schauen, und das kann ich keinem anderen überlassen", sagt er. Man muss also schon eine große Liebe für diese sehr zeitintensive Art der Rottierhaltung haben, denn sein Hobby kostet außerdem ziemlich viel Geld, "mehr als zwei Urlaube jährlich", erklärt er. Und was meint seine Frau Daniela dazu? "Die Tiere sind nicht nur unser Hobby, sondern unsere Leidenschaft. Wir wohnen in einer Urlaubsgegend und haben hinter unserem Haus all das, was Gäste hierherlockt, also sind wir selbst unsere Gäste." Und wenn Michael Wieland aus gesundheitlichen Gründen ausfällt, dann managt Daniela das Rotwildgehege, denn an Wochenenden hilft sie regelmäßig mit und kennt sich damit also bestens aus.