Bernd Israel und Brunhilde Feigenbutz spielen zusammen Rommé. Foto: Mutschler Foto: Schwarzwälder Bote

"Wohnen Plus": Ludwig-Uhland-Residenz in Bad Wildbad bald ferig / Nicht alle bisherigen Bewohner können mit umziehen

Die Ludwig-Uhland-Residenz steht kurz vor der Fertigstellung. Weil das neue Angebot eine ambulante betreute Wohngemeinschaft beinhaltet, können nicht alle bisherigen Bewohner mit umziehen. Denn, so sagt die Evangelische Heimstiftung als Betreiber, das Sozialamt wolle diese Kosten nicht übernehmen. Doch die Landkreisverwaltung widerspricht vehement.

Bad Wildbad. "Wohnen Plus" nennt die Evangelische Heimstiftung (EHS) ihre eigens entwickelte Wohnform, die aus verschiedenen, individuell nutzbaren Wohn-, Betreuungs- und Pflegeangeboten bestehen soll. Je nach Bedarf können Bewohner zwischen einer Betreuten Wohnung, dem Besuch der Tagespflege und der ambulant betreuten Wohngemeinschaft (WG) wählen. Soweit das Konzept der EHS. Bislang ist das Uhland-Stift, das während der Umbauphase in der ehemaligen Sana-Klinik untergebracht ist, eine Einrichtung mit stationärer Pflege. Bei der Sanierung entschied sich die EHS für das neue Konzept "Wohnen Plus", das am Standort Bad Wildbad zum ersten Mal umgesetzt werden soll. Und hier beginnen die Probleme für die bisherigen Bewohner.

Alexandra Heizereder, die Pressesprecherin der EHS, sagt, dass die neue Uhland-Residenz in der Wohnform zwischen stationär und ambulant angesiedelt sei, "für Menschen, die nicht zu 100 Prozent pflegebedürftig" seien. Formal werde das neue Angebot aber als ambulant eingestuft, weil es eben nur die beiden Formen stationär und ambulant gebe. Die Kosten seien vergleichbar mit denen einer stationären Einrichtung, die Betreuung und der Personalschlüssel aber seien besser.

Spezieller Fall

Menschen, die weiter stationär versorgt werden müssen, würden auf andere Heime der EHS verteilt, teilweise in Bad Wildbad, manche auch in Calw oder Engelsbrand, sagt Heizereder. Bei dem speziellen Fall gehe es aber jetzt um fünf Bewohner, die bereits im Uhland-Stift und nun im Interimsquartier seien. "Sie wollen wieder in ihr Zuhause", so die Pressesprecherin.

Das Problem dabei, wie es die EHS darstellt: Für fünf Bewohner, die in die neue Wohngemeinschaft ziehen sollen, zahle das Sozialamt die Kosten für die stationäre Betreuung und weigere sich, die Kosten für die Betreuung in der ambulanten Wohngemeinschaft zu übernehmen. Dabei komme die EHS dem Sozialamt bereits entgegen, indem sie die Miete mit vier Euro bezuschusse – also zehn statt 14 Euro. An den Betriebskosten hingen unter anderem aber auch die Gehälter dran und weil die EHS "faire und gute Gehälter nach dem Diakonie-Tarif und keine Dumping-Löhne" bezahle, seien diese Kosten eben höher als bei anderen Trägern. "Da müsste das Sozialamt uns entgegenkommen", fordert Heizereder. Die Kosten für die Betreuung in der WG seien fast gleich wie bei der bisherigen stationären Betreuung und beliefen sich auf 2800 Euro statt bislang 2700 Euro. Und die Bewohner bekämen "mehr Pflege und Betreuung als in der stationären Pflege", so Heizereder weiter. Nach ihrer Aussage hätte die EHS "gar nicht mit Schwierigkeiten gerechnet. Und jetzt stehen wir da", so die Pressesprecherin weiter. Denn die neue Residenz soll bereits im Oktober bezogen werden und noch sei nicht klar, ob die fünf Bewohner mit umziehen können.

"Innovationen passen oft nicht ins Raster. Dabei geht es um die Menschen", sagt Heizereder. Denn die Menschen hielten sich an ihrer gewohnten Umgebung fest. Das bestätigt auch der 64-jährige Bernd Liebherr, der bereits seit 17 Jahren im Uhland-Stift lebt. "Ich möchte mit umziehen. Ich fühle mich hier wohl, habe Sicherheit. Wer weiß, wo ich hinkomme", sagt er und wendet sich fast flehentlich an Helene Zipf, die Leiterin des Uhland-Stifts: "Nicht nachlassen, nicht lockerlassen. Drauf und drauf und drauf. Die können mich doch nicht einfach sitzen lassen", sagt er und fordert: "Weiter Druck machen."

Seit 2009 ist der 77-jährige Bernd Israel im Uhland-Stift. "Ich möchte Bad Wildbad nicht verlassen, ich möchte runter in die Residenz", sagt er. Täglich spielt er mit einer weiteren Bewohnerin Rommé. "Die hat sonst niemand", erzählt Israel und versteht die Welt nicht mehr: "Dass das Amt nicht zahlt, finde ich unter aller Würde."

Schwere Geschütze

Brunhilde Feigenbutz, die Spielpartnerin von Israel, ist 93 Jahre und zieht als Selbstzahlerin in die Residenz um. Auch sie will nicht auf ihren Spielpartner verzichten. "Das ist wirklich schlimm", findet sie klare Worte.

Hausdirektorin Zipf sagt: "Wir machen uns wirklich Gedanken, wen wir mitnehmen können" und Heizereder fügt an: "Wir wollen alle mitnehmen." Dabei gehe es nicht darum, Plätze zu füllen. "Wir haben Wartelisten über Wartelisten und müssen kein Marketing dafür machen."

Schwere Geschütze fährt Bernhard Schneider, der Hauptgeschäftsführer der EHS mit Sitz in Stuttgart, auf:

"Der Landrat will, dass wir unseren Mitarbeitern in der Pflege-Wohngemeinschaft Dumpinglöhne bezahlen, damit die Sozialhilfe Geld spart. Darauf lassen wir uns nicht ein. Wir können doch nicht zulassen, dass Pflegekräfte und Bewohner gegeneinander ausgespielt werden. Wir kämpfen dafür, dass fünf pflegebedürftige Menschen nicht aus ihrem gewohnten Umfeld herausgerissen werden müssen und wir sind sehr enttäuscht, dass uns weder der Landrat noch der Sozialminister unterstützt. Die Politik fordert doch ausdrücklich neue Wohnformen. Wenn es aber wie bei der Wohngemeinschaft in der Ludwig-Uhland-Residenz darauf ankommt, Farbe zu bekennen, dann ist Ruhe im Karton. Das ist nicht in Ordnung."

Doch was sagt das Calwer Landratsamt als Kostenträger dazu? Sozialdezernent Norbert Weiser betonte auf Nachfrage unserer Zeitung: "Es geht hier ausnahmsweise nicht ums Geld." Die Fälle seien schwierig, denn hier stelle sich die Frage: "Kann ich jemand, der 20 Jahre in vollstationärer Betreuung war, in einer WG unterbringen, in der selbstbestimmtes Leben verpflichtend ist?" Und Weiser gibt auch gleich die Antwort darauf: "Wir sagen, das funktioniert nicht." Vielmehr habe man Sorge um die Betreuung der Menschen. "Sie haben bis jetzt ein vollstationäres Setting erlebt und brauchen das auch", sagte er und betont noch einmal: "Das ist keine finanzielle Frage."

Dass die Menschen durch die Unterbringung in einem anderen Heim aus ihrem sozialen Umfeld gerissen würden, sei "Humbug", so Weiser weiter. Dies geschehe auch durch die mehrfachen Umzüge, erst in das Interimsquartier und dann auch beim Umzug in die neue Residenz.

Auch widerspricht er der Darstellung, dass die Betreuung in einer WG besser wäre: "Der Betreuungsschlüssel im vollstationären Setting ist deutlich intensiver." Zudem seien in der WG lediglich Präsenzkräfte zur täglichen Betreuung vor Ort.

Unabhängige Experten

Bei der Beurteilung, ob Menschen eine ambulante oder stationäre Pflege benötigen, verlasse man sich, so Weiser, auf unabhängige Experten vom medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK). Und der MDK sei, so sagt es Ralph Kammerer, Abteilungsleiter Soziale Hilfen im Landratsamt, eher zurückhaltend bei den Einstufungen. Sprich, wenn der MDK eine stationäre Pflege anordne, dann sei die auch nötig. Und Weiser ergänzte: "Es wäre in meinen 45 Jahren Berufserfahrung der erste Fall, in dem jemand von vollstationärer in ambulante Betreuung umziehen könnte."

Aus seiner Sicht habe die EHS für das Projekt in Bad Wildbad eine unternehmerische Fehlentscheidung getroffen, indem sie zu wenig vollstationäre Plätze anbiete. Ursprünglich seien 50 dieser Pflegeplätze angedacht gewesen, bevor die EHS auf das neue Konzept umgeschwenkt sei. Dieses Projekt sei zwar aus "perspektivischer Sicht richtig", aber man dürfe bei den Planungen die aktuelle Situation nicht außer Acht lassen, so Weiser weiter.