Überraschendes Urteil im Prozess gegen den Wildbader Gastronomen, der des versuchten Totschlags an seiner Ehefrau angeklagt war. Die Große Strafkammer des Tübinger Landgerichts erkannte am Donnerstag auf Mordversuch und verurteilte den 46-Jährigen zu einer Haftstrafe von drei Jahren und neun Monaten. Foto: Archiv-Foto: Bernklau

46-Jähriger geht auf seine Frau los. Landgericht sieht es als Mordversuch. Drei Jahre und neun Monate Haft für Wirt aus Bad Wildbad.  

Tübingen / Bad Wildbad - Überraschendes Urteil im Prozess gegen den Wildbader Gastronomen, der des versuchten Totschlags an seiner Ehefrau angeklagt war. Die Große Strafkammer des Tübinger Landgerichts erkannte am Donnerstag auf Mordversuch und verurteilte den 46-Jährigen zu einer Haftstrafe von drei Jahren und neun Monaten.

Dem aus Sizilien stammenden Mann war vorgeworfen worden, seine Frau im vergangenen August ins Büro seines Restaurants bestellt zu haben, um sie wegen einer Liebschaft zur Rede zu stellen. Als sie die Affäre unumwunden einräumte, kam es zu einem Gewaltausbruch, in dessen Verlauf der tobende Angeklagte eine Gasflasche geöffnet, Benzin ausgeschüttet und mit einem Feuerzeug hantiert haben soll, was er bis zuletzt bestritt. Der mehrfach beherzt eingreifende Schwiegervater könnte womöglich Schlimmeres verhindert haben.

Staatsanwalt Florian Fauser hatte in seinem Plädoyer zwar eine Tötungsabsicht beim Angeklagten gesehen, aber in Anbetracht der gesamten Umstände eine Haftstrafe von zwei Jahren und neun Monaten wegen versuchten Totschlags für angemessen gehalten. Schläge, Tritte und auch die geworfenen Gegenstände vom Bierkrug über den Kanister bis zum Tacker hatte er lediglich als einfache Körperverletzung gewertet. Das sah die Kammer anders. Vor allem aber sah der Vorsitzende Richter Ulrich Polachowski das Mordmerkmal der Grausamkeit als gegeben an.

Unter Androhung von Ordnungsgeld hatte er sich zu Beginn der Urteilsverkündung jegliche Publikumsäußerungen vorsorglich verbeten. Denn nach dem Schlusswort des Angeklagten waren die zahlreichen Wildbader Unterstützer des Gastronomen in spontanen Beifall ausgebrochen. Der Angeklagte hatte seine Ehefrau, den Schwiegervater und seine Kinder nochmals um Verzeihung gebeten, jede Tötungsabsicht weit von sich gewiesen und den Freunden für ihren Beistand gedankt.

Zu den emotionalen Szenen im Gerichtssaal hatte auch die in Trennung lebende Nebenklägerin beigetragen, die ihren Mann um der drei gemeinsamen Kinder wegen nach achtmonatiger Untersuchungshaft nicht länger im Gefängnis wissen wollte. Auf eine Bewährungsstrafe hatten auch die beiden Verteidiger des Gastronomen plädiert. Sie sahen in dem Geschehen das aus dem Ruder gelaufene Ausrasten eines betrogenen Ehemanns mit sizilianischem Temperament. Doch es kam ganz anders.

Für versuchten Mord sehe das Gesetz eine Mindeststrafe von drei Jahren vor. Das bedeute "zwingend einen anderen Strafrahmen" als vom Staatsanwalt gefordert, sagte Richter Ulrich Polachowski in seiner Urteilsbegründung. Auch wenn es beim Versuch geblieben sei und die Ehefrau mit weniger gravierenden Verletzungen davonkam, führe an dem Mordmerkmal der Grausamkeit kein Weg vorbei: "Verbrennen ist immer grausam, eine der grausamsten Todesarten überhaupt", urteilte der Vorsitzende.

Bei der Bewertung des Tatgeschehens "stimmten Tun und Sagen des Angeklagten" überein. Vor, während und auch noch nach dem Gewaltausbruch – als der Tobende von Passanten, Gästen und der schließlich Polizei überwältigt worden war – habe er seine Tötungsabsicht eindeutig und mehrfach bekundet. "Wer so mit Benzin hantiert, der will seine Frau töten, nicht nur verletzen", zeigte sich Polachowski überzeugt. Auch in den mit einer Handykamera gefilmten Tritten in Richtung Kopf und dem Schleudern eines schweren Korbsessels auf die am Boden liegende 37-Jährige lasse sich noch eine Tötungsabsicht erkennen.

Die "erhebliche Erregung", so der Richter, sei zwar strafmildernd zu berücksichtigen, hätte die Schuld- und Steuerungsfähigkeit des Angeklagten nicht vermindert. Eine Affekttat scheide schon wegen der Dauer der Gewalthandlungen aus. Zugunsten des Gastronomen wertete das Gericht sein "anständiges und arbeitsames Leben" bis zur Tat, sein Geständnis der äußeren Tatsachen, seine Reue und die glimpflich gebliebenen Verletzungen der angegriffenen Ehefrau. Auch das Umfeld spreche für ihn: "Er war und ist beliebt, er hat Freunde, die hinter ihm stehen", sagte der Vorsitzende.

Dass die Existenzgrundlage des Gastronomen mit dem Urteil verloren sei, sehe die Strafkammer zwar ebenso wie die Härte der Haft für den 46-Jährigen als Vater. Dennoch bleibe für die Kammer keine andere Möglichkeit der Bestrafung: "Das ist zwar keine Bewährung, aber für einen versuchten Mord niedrig", ordnete der Richter sein Strafmaß ein.

Mit Fassungslosigkeit und Tränen reagierten die erneut angereisten Unterstützer auf das Urteil gegen den erfolgreichen Restaurantbetreiber. Es blieb aber still im Saal.