Großer Andrang herrschte im Residenzsaal des Hotels Therme bei einer Lesung des Gerbersauer Lesesommers. Foto: Selter-Gehring Foto: Schwarzwälder-Bote

Kultur: Ausgewählte Stücke bei Lesung "In Kur, der Liebe wegen" zeigen hintergründigen Witz

"In Kur, der Liebe wegen" – so war die jüngste Lesung mit Musik im Rahmen des Gerbersauer Lesesommers überschrieben. Und passenderweise wurde diese Veranstaltung im Residenzsaal des Hotel Therme im Kurort Bad Teinach ausgerichtet.

Bad Teinach-Zavelstein. Die Sprecher Luise Wunderlich und Rudolf Guckelsberger präsentierten Lyrik und Prosa über unausgesprochene Liebe, Verliebtheit, amouröse Begebenheiten, flirtende Blicke und Liebesschmerz. Musikalisch begleitet wurde die Lesung von Andreas Hiller an der zehnsaitigen Gitarre und Johannes Hustedt (Querflöte).

"Gelegenheit macht Liebe", so Herbert Schnierle-Lutz, Literaturpädagoge und Hauptinitiator des in diesem Jahr zum 15. Mal stattfindenden Gerbersauer Lesesommers. Gerade auf Reisen und in der Kur steige die Bereitschaft sich zu verlieben. Begriffe wie Kurschatten oder Reisebekanntschaft legten davon Zeugnis ab, so Schnierle-Lutz.

Hesse war häufig auf Reisen und aufgrund seiner Gicht und rheumatischer Beschwerden auch öfter in Kur und hat dabei wohl seine ganz eigenen Beobachtungen über Gelegenheiten zur Liebe gemacht. Eine humorvolle Auswahl an Texten, die dies widerspiegeln, hörten die Gäste im prunkvollen Saal des Hotels.

Andreas Hiller und Johannes Hustedt hatten passend dazu Stücke des britischen Komponisten, Multiinstrumentalisten und Darstellers Tim Weather (1952) ausgewählt, die mit beschwingter Leichtigkeit und überraschenden Wendungen das Thema des Abends musikalisch aufgriffen.

Die unterhaltsame und hintergründig humorvolle Grundstimmung wurde bereits beim Auftakt spürbar. Mit feiner Mimik trug Rudolf Guckelsberger das Gedicht "Einer sentimentalen Dame" vor, das Hermann Hesse 1928 geschrieben hat, und ließ die Ironie, die darin mitschwingt, in seiner Stimme widerhallen. Ein kleiner Vorgriff: Am Ende des Abends gab Luise Wunderlich in einer kleinen Abwandlung "Dem jammernden Herrn" eine temperamentvolle Retourkutsche. Ihre Antwort auf "Gehört ich zu den Veilchen, Rosen, Nelken, so wär es Wonne mir und höchste Pflicht, an deinem schönen Busen zu verwelken…" war deutlich: "Eine Blume bist du nicht."

Sprecher beweisen dramatisches Talent

Bereits in den vergangenen Jahren begeisterten Wunderlich und Guckelsberger mit ihrer ganz eigenen Interpretation der ausgewählten Texte das Publikum. Bei "In Kur, der Liebe wegen" konnten die beiden Sprecher einmal mehr im Zusammenspiel der Geschlechter ihr dramatisches Talent beweisen. Ein Höhepunkt der Lesung war "Die Wunder der Technik oder die Reise nach Rapallo", eine 1908 von Hesse verfasste Erzählung, die die Zuhörer an die ligurische Küste entführte. Die Missgeschicke des Protagonisten Olaf, der gegen seinen Grundsatz "verliebe dich nie und auf keinen Fall auf Reisen" verstieß, sorgten für reichlich Schmunzeln im Residenzsaal. Vom im Koffer vergessenen Billet über die Folgen, die das Anzünden einer Pfeife haben kann, bis hin zu den Tücken eines elektrischen Rasierapparats und eines neumodischen Zigarrenabschneiders reichten die Fettnäpfchen, in die Olaf beim Versuch, seiner Angebeteten näher zu kommen, trat. Und so "nahm das Schicksal seinen Lauf…".

Nicht ganz so spektakulär, aber nicht minder amüsant war "Die Nichtraucherin" (1913). Die Erzählung berichtet vom Aufflammen der Gefühle zweier Reisenden für eine schöne Unbekannte im Nichtraucherabteil, die Konkurrenz, die plötzlich entsteht, und die darauf folgende Ernüchterung, als sie nähere Bekanntschaft machen.

"Tucholsky sagte einmal, Hermann Hesse habe den Humor eines Kleiderschranks. Später hat er diese Einschätzung wohl unter dem Eindruck solcher Geschichten revidiert", fasste Schnierle-Lutz die Lesung mit ihren vielen amüsanten Akzenten zusammen.