Herbert Cech hat seine ungewöhnliche Lebensgeschichte niedergeschrieben. "Vom Spion zum Clochard" lautet der Titel. Foto: Hölle

Herbert Cech aus Unterhaugstett steht für eine höchst außergewöhnliche deutsch-deutsche Geschichte.

Bad Liebenzell-Unterhaugstett  - Es ist ein Leben mit vielen erstaunlichen Stationen: In der ehemaligen DDR hatte es Herbert Cech mit der Stasi zu tun, im Westen beschäftigte sich die Generalbundesanwaltschaft mit ihm – und in der Justizvollzugsanstalt Stuttgart-Stammheim wurde er von seinen Mithäftlingen zuletzt nur "Gorbatschow" oder "James Bond" genannt.

Der heute 75-Jährige, der mittlerweile im Bad Liebenzeller Stadtteil Unterhaugstett im Nordschwarzwald lebt, steht für eine ganz außergewöhnliche deutsch-deutsche Geschichte. Dabei wollte er immer nur eines sein: Fahrlehrer. Aber es ist dann doch ganz anders gekommen. Was ihm widerfahren ist, das hat er vor einigen Jahren zu Papier gebracht. "Vom Spion zum Clochard – Lebensgeschichten von Herbert Cech" nennt er sein Werk, das er mittlerweile auch als Buch hat binden lassen. Nachzulesen ist da, was er mit seinem Pappkoffer, der ihn bis heute begleitet, in seiner Kindheit, Jugend und Erwachsenenzeit erlebt hat.

Der Pappkoffer, das ist die Erinnerung an das Sudetenland, das Herbert Cech, damals fünf Jahre alt, 1945 verlassen mussten. In Bad Bibra in Thüringen wuchs er auf. Mit 19 Jahren war er der jüngste Fahrlehrer für alle Klassen. Er war Mitglied in der Gesellschaft für Sport und Technik und stolz auf seine DDR, in der es ihm gut ging. "Ich hatte Geld und gute Freunde", erinnert er sich. Der Bruch kam nach einem Betriebsunfall mit einer landwirtschaftlichen Maschine 1959. Danach wollte er nur wieder zurück nach Erfurt, wo er zuvor Fahrlehrer war. Als ihm gesagt wurde, er müsse weiter in der Landwirtschaft arbeiten, flüchtete er aus Trotz in den Westen.

DDR war über den Fahrlehrer stets im Bilde

Dort baute er sich als Fahrlehrer in Württemberg eine neue Existenz auf und setzte sich Mitte der 70er-Jahre dafür ein, dass seine Cousine mit ihrer Familie in die Bundesrepublik übersiedeln durfte. Ein von ihm initiierter Fluchtversuch misslang. Die Verwandten schafften es später auf legale Weise in den Westen und zerstritten sich mit ihm. Was er aber zuvor alles unternommen hat, um in der Bundesrepublik auf sie aufmerksam zu machen, das wurde auch in der DDR offensichtlich genau registriert.

Den Kontakt zur thüringischen Heimat ließ Cech nicht abreißen. 1974 fuhr er zu einem ersten Klassentreffen zurück in die DDR. Er blieb unbehelligt. Dass er aber oft "im Kreisgebiet herumgefahren sein soll, um etwas anzugeben", das hat er in einem Bericht der Stasi vom August 1979 nachgelesen, den er nach der Wende in seiner Akte entdeckte.

1979 wurde er wieder von den ehemaligen Schulkameraden eingeladen. Vorsorglich erkundigte er sich bei der ständigen Vertretung der DDR in Bad Godesberg, um sicher zu sein, wieder zurückkehren zu können. "Kein Problem", wurde ihm gesagt. Im September 1979 machte sich der Fahrlehrer erneut auf die Reise in die DDR, weil, so seine Darstellung, er seine Tochter aus erster Ehe abholen wollte. Auf der Fahrt zu Bekannten wurde er von der Polizei angehalten. Ihm wurde illegale Fluchthilfe vorgeworfen, Verletzungen des Transitabkommens und staatsfeindliche Hetze. "Zu Recht", wie er auch heute noch sagt.

"Acht Jahre Zuchthaus in Bautzen oder Mitarbeit beim Staatssicherheitsdienst", hieß es dann seinen Schilderungen zufolge, als er es mit der Stasi zu tun bekam. "Was sollte ich denn machen? Ich habe unterschrieben", so Cech.

Cech: Ich habe niemandem geschadet

Sein Deckname zwischen 1979 und 1985 war Karl Sommer. Er sollte Fluchthilfeorganisationen im Westen "abklären". "Aber ich habe niemandem geschadet", sagt er heute. Dagegen wollte er immer nur ganz schnell raus aus dem "Schweineverein". Weil er an Diabetes erkrankt war, gelang es ihm schließlich.

1986 wurde er in der Bundesrepublik kurz nach der Geburt einer Tochter verhaftet und kam nach Stuttgart-Stammheim in Untersuchungshaft. Wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit. Die Angelegenheit schlug derart Wellen, dass in Zeitungsschlagzeilen sogar gefragt wurde, ob denn auch der mit Cech befreundete Böblinger Polizeichef in einen Spionagefall verwickelt sei. Als unter seinen Mithäftlingen bekannt wurde, warum er einsitzt, wurde er zum Star.

Nach einem halben Jahr kam er auf Kaution frei. Wegen Verdachts der geheimdienstlichen Agententätigkeit musste sich Cech im Januar 1987 vor dem 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart verantworten. In der Anklage wurde ihm vorgeworfen, in den Jahren 1979 bis 1985 für die Stasi gegen Entgelt tätig gewesen zu sein. Unter anderem sollte er im Großraum Stuttgart und in München Fluchthilfeorganisationen ausspioniert haben. Er erhielt eine Bewährungsstrafe. Zugute gehalten wurde ihm unter anderem, dass er seine Tätigkeit für das Ministerium für Staatssicherheit aus freien Stücken beendet hat.

Nach der Entlassung hat es Herbert Cech zunächst mit einer Fahrschule in Sindelfingen versucht. Dorthin verfolgte ihn aber sein Ruf. In Stuttgart klappte es besser. Mit 70 zog er sich aus dem Berufsleben zurück. Altersvorsorge hat er nicht ernsthaft betrieben. Kurz vor dem deutschen Einheitstag fühlt er sich als Verlierer der Wiedervereinigung. Und hofft, dass er einen Verlag findet, der seine Lebensaufzeichnungen drucken wird.