Wegen Missbrauchsvorwürfen muss sich ein Schwimmlehrer vor dem Landgericht Baden-Baden verantworten (Symbolbild). Foto: dpa

34-Jähriger seit fast genau einem Jahr im Gefängnis. Mann soll 40 Kinder sexuell missbraucht haben.

Bad Herrenalb/Baden-Baden - Die kleinen Mädchen sollten schwimmen lernen, die Eltern vertrauten sie einem Schwimmlehrer an. Dann geschieht Schreckliches. Die ersten Opfer erzählen von Missbrauch, eine Lawine kommt in Gang: 40 Kinder soll der Mann missbraucht haben. Jetzt beginnt der Prozess.

Tatort war das Schwimmbad, das Kinderbecken, die Umkleidekabine. Ein 34 Jahre alter Schwimmlehrer soll 40 kleine Mädchen sexuell missbraucht, genötigt und die Taten zum Teil auch unter Wasser gefilmt haben. Von Mittwoch an steht der Mann vorm Landgericht Baden-Baden. Zur Last gelegt werden ihm schwerer sexueller Missbrauch in sechs Fällen sowie sexueller Missbrauch in 195 Fällen – Taten, die er über fast zwei Jahre hinweg zwischen Oktober 2015 und September 2017 begangen haben soll.

Außerdem muss er sich wegen Nötigung und Körperverletzung verantworten. Damit die Kinder im Alter zwischen vier und zwölf Jahren ihren Eltern nichts erzählen, soll der Mann mindestens zwei seiner Opfer massiv eingeschüchtert und sogar mit dem Tod bedroht haben. Vergewaltigung wird ihm nach Angaben der Staatsanwaltschaft nicht vorgeworfen.

Videos gedreht

Das Verfahren gegen den Mann kam in Gang, als die Eltern von zwei Fünfjährigen im Sommer 2017 unabhängig voneinander Anzeige bei der Kriminalpolizei Rastatt erstatteten. Die Ermittler wurden hellhörig, akribische und zeitaufwendige Ermittlungen folgten: Rund 160 Schwimmkurse, die der Angeklagte für jeweils bis zu 14 Kinder gegeben hatte, wurden überprüft, Hunderte Eltern kontaktiert.

Betroffen waren Kurse, die drei Schwimmschulen in Gernsbach und Kuppenheim (beide Kreis Rastatt), Achern (Ortenaukreis), Bad Herrenalb (Kreis Calw) sowie Lörrach und Baden-Baden organisiert hatten. Für 40 Kinder ließen sich schließlich die Vorwürfe erhärten. Drei der Mädchen waren zwar auf den vom Mann gedrehten Videos zu sehen gewesen, konnten allerdings bislang nicht identifiziert werden.

Die 37 namentlich bekannten Kinder seien fast alle von der zuständigen Ermittlungsrichterin vernommen worden, begleitet von einer Anwältin als Zeugen- und Rechtsbeistand. Lediglich die Eltern von zwei oder drei Mädchen hätten die Befragung verweigert, sagte ein Sprecher der Anklagebehörde.

Eine schlimme Geschichte sei das, verlautet aus einer der betroffenen Schwimmschulen. Öffentlich äußern will sich die Schule nicht. Welche Voraussetzungen Schwimmlehrer – im Gegensatz zu Schwimmmeister ein nicht geschützter Beruf – für eine Einstellung erfüllen müssen, wird unterschiedlich gehandhabt.

"Kursleiter bei uns brauchen ein erweitertes polizeiliches Führungszeugnis", sagt Vera Grießer vom Förderverein Schwimmregion Karlsruhe. Als sie von dem Fall gehört habe, habe sie für Oktober in Zusammenarbeit mit dem Stadtjugendausschuss erstmals eine "Sensibilisierungsschulung" für Schwimmlehrer organisiert.

"Man sollte sich schlau machen bei Schwimmschulen und genau schauen, wer das macht", empfiehlt Peter Harzheim, Sprecher und Präsident des Bundesverbandes Deutscher Schwimmmeister. Hundertprozentige Sicherheit gebe es, wie überall sonst auch, nicht.

"Es gibt eine Grauzone, es gibt immer auch schwarze Schafe, davor schützt auch ein erweitertes Führungszeugnis nicht", sagt er.

Ob die Opfer vor Gericht noch einmal erzählen müssen, was ihnen widerfuhr, ist unklar. "Das hängt davon ab, ob die Richter noch weitere Fragen haben", sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft. Der Angeklagte, ein nicht vorbestrafter Deutscher, schweigt.

Es besteht Fluchtgefahr

Wegen der Schwere der Vorwürfe sowie Verdunkelungs- und Fluchtgefahr hatte das Oberlandesgericht Karlsruhe einer Verlängerung der Untersuchungshaft zugestimmt. Inzwischen sitzt der 34-Jährige seit fast genau einem Jahr im Gefängnis. Der Prozess findet wegen der minderjährigen Opfer vor der Jugendschutzkammer statt.

Ob und inwieweit die Öffentlichkeit von Teilen des Prozesses ausgeschlossen wird, ist unklar. Die Anklagebehörde will für den Beschuldigten neben einer Haftstrafe auch die Sicherungsverwahrung erreichen.