Einstimmung auf die Lesung im Fantasiegarten: "Neben der Rolle" – aber nur der Gitarre wegen – sitzt Schreibwerkstatt-Mitglied Michael Roth. Fotos: Gegenheimer Foto: Schwarzwälder Bote

Was Londons Hyde Park seine "Speakers’ Corner", das ist Bad Herrenalbs

Was Londons Hyde Park seine "Speakers’ Corner", das ist Bad Herrenalbs Kurpark die "Rolle" im Fantasiegarten. Die seit 2017 fest installierte hölzerne Kabeltrommel ist zwar nicht Bühne für politische Reden, dafür für kurzweilige Kleinkunst in Prosa, Reimform und auch mal vertont.

(geg). Die Bad Herrenalber Schreibwerkstatt gibt es seit mehr als zehn Jahren. Insgesamt gehören ihr acht schreibfreudige Frauen und Männer an. Mehrere davon haben bereits Gedichte, Kurzgeschichten und sogar Romane mit Erfolg veröffentlicht. Hervorgegangen ist die Gruppe aus einem Kreativschreibkurs an der Volkshochschule, wie "Mit-Schreiber" Dietmar Glaser erzählt. Man habe sich so gut verstanden, dass man als Kreativgruppe weiter in Kontakt geblieben sei und sich seit Jahren in Eigeninitiative treffe. Einer stelle dann immer eine Aufgabe, die anderen folgten. Sei es ein Bild als Impuls, das Schreiben an einem besonderen Ort – zum Beispiel dem Paradies des Klosters. "Dann wird spontan formuliert, und das in kurzer Zeit, meist nur 15 Minuten", erklärt Glaser. Dies fördere die Kreativität und erstaunliche Resultate zu Tage – und lebe durch den anschließenden Austausch. Wer die kreativen Schreiber auch einmal erleben möchte: Der nächste "Von der Rolle"-Termin ist am Dienstag, 2. Juli, ab 19 Uhr. Gast ist dann die Karlsruher Autorin Petra Rieger-Bühler mit Gedichten und Geschichten – sicher auch in Mundart.

Bad Herrenalb. Bestens bewährt hat sich die Zusammenarbeit zwischen den acht "Schreibschwestern und –brüdern", so Mitglied Dietmar Glaser, und dem Arbeitskreis Fantasiegarten der IG Gartenschau. Es gibt Stammzuhörer, die sich keine Lesung entgehen lassen.

Am Mittwoch waren erstmals dieses Jahr auch die äußeren Bedingungen ideal. Bei 28 Grad Celsius Außentemperatur, einer sanften Brise, begleitet vom Plätschern der Alb und umrahmt von den Blüten des Fantasiegartens, erlebten gut 25 Gäste einen lauen Sommerabend mit Kulturgenuss, zu dem diesmal vier Akteure beitrugen.

"Sie dürfen gespannt sein", kündigte die Bad Herrenalberin Susanne Jabs an, "denn so unterschiedlich wie wir als Typen, sind es auch unsere Themen und Sprache". Den künstlerischen Einstieg gestaltete Michael Roth aus Pfaffenrot mit einem "gestern Abend noch gedichteten Begrüßungstext" in Liedform in bester Reinhard-Mey-Manier.

Von "Ober-Fläch(lich)en" und der Suche nach idealen Partnern handelte die tragikomische Kurzgeschichte der Loffenauerin Birgit Adam. Da schmunzelte auch die andere Loffenauerin – jene aus Stein, die aus dem Hintergrund des Fantasiegartens direkten Blick auf die Auftritte hatte – sicher mit. "Schreibbruder" Glaser, in der Siebentälerstadt beheimatet, beeindruckte mit einer fast philosophisch-tiefgründigen Geschichte über die Seele der Stadt, ganz klar mit Bad Herrenalb-Bezügen. "Eine Weisheitsgeschichte, das kann man in meinem Alter jetzt schon mal machen", kokettierte er. Glaser erzählte fein beobachtet von Begegnungen und Charakteren, die eben diese Stadtseele ausmachen – Übereinstimmungen mit lebenden Personen unbedingt erwünscht.

Mit Gesangseinlage

Kollegin Jabs hatte gleich zwei kurze Geschichten mit auf die "Rolle"-Bühne gebracht. Die zum Schmunzeln über die – nicht ganz so weit – verreisende Cordula sowie eine "zarte fürs Herz" über die Melancholie des Rückblicks auf eine Beziehung, die nicht sein durfte – "Zwischen den Zügen". Schließlich stieg Allroundtalent Roth auf die Rolle, um ein Jugenderlebnis mit durchaus autobiografischen Zügen zum Besten zu geben.

Ungemeine Würze erhielt der Vortrag von "Das Provisorium" – banal formuliert eine traumatische Zahnarzt-Geschichte – durch die Wortwahl sowie die Fassung in Reimform in lupenreinem vierhebigem Jambus – da geht jedem Deutschlehrer das Herz auf. Zum Abschluss animierte er das komplette Publikum unter Gitarrenbegleitung noch zur Gesangseinlage vom "brennend heißen Wüstensand", ehe die kurzweilige Dreiviertelstunde quasi durch höhere Macht vom siebenminütigen kirchlichen Abendläuten beendet wurde.