Mittlerweile wollen 20 Bewerber auf dem Bad Herrenalber Chefsessel Platz nehmen. Foto: Stadt Bad Herrenalb

Zahl der Kandidaten steigt und steigt. Bewerbungsschluss ist am 23. September.

Bad Herrenalb - Wer dieser Tage mit Bad Herrenalbs Hauptamtsleiter Ralph Götzmann telefoniert, könnte meinen, leichte Verzweiflung und eine Spur Sarkasmus in seiner Stimme zu hören, wenn das Thema Bürgermeisterwahl angesprochen wird. Kein Wunder: Die Zahl der Kandidaten steigt und steigt. Mittlerweile liegen 20 Bewerbungen bei der Stadtverwaltung vor.

Auch beim Schwarzwälder Boten hat sich ein neuer Kandidat für den Chefsessel im Bad Herrenalber Rathaus gemeldet: Sascha Schlüter aus Berlin. Die Nachfrage beim Hauptamtsleiter, ob diese Bewerbung auch bei der Stadt abgegeben wurde, beantwortet Götzmann nur ausweichend. Aus datenschutzrechtlichen Gründen dürfe er keine Namen nennen, außerdem "will ich es gar nicht mehr so genau wissen". Da ist sie, die leichte Verzweiflung. Götzmann verweist auf die Sitzung des Wahlausschusses am Montag, 23. September, ab 19 Uhr. Rund zwei Stunden später werde man wissen, wer alles zur Wahl zugelassen sei. Dann werden auch die Namen der Bewerber öffentlich gemacht.

Aber bis dahin ist noch fast eine Woche Zeit und es ist gut möglich, dass noch einige weitere Bewerber dazu kommen. Bereits jetzt bestätigt der Amtsleiter, dass die Anzahl der Bewerbungen ziemlich einmalig sei. Ihm sei nicht bekannt, dass es irgendwo schon einmal so viele Kandidaten gegeben habe. Auch Nachfragen bei Kollegen bestätigten ihm, dass auch die so etwas noch nicht erlebt haben. "Wir kommen jetzt dann ins Guinness-Buch der Rekorde", sagt er.

Einer der Bewerber, der seine Kandidatur jetzt öffentlich gemacht hat, ist Sascha Schlüter aus Berlin. Laut seinem Facebook-Eintrag ist er umwelt -und energiepolitischer Sprecher bei der Satirepartei "Die Partei", tritt laut seiner Pressemeldung aber als unabhängiger Kandidat an. Er kandidiert mit dem Slogan "In der Zone geboren, in der Hauptstadt gereift, im Schwarzwald gebraucht". Aufgrund der "hohen Nachfrage" gebe auch er seine Kandidatur bekannt.

"Die Partei" (Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative) wurde 2004 durch Redakteure der Satirezeitschrift "Titanic" initiiert. Im Europäischen Parlament ist sie durch ihren Parteivorsitzenden und Ex-Titanic-Chefredakteur Martin Sonneborn und Kabarettist Nico Semsrott vertreten. "Die Partei" fordert unter anderem eine "bundesweite Bierpreisbremse", den Führerschein-Entzug für Klimawandel-Leugner oder die Einführung der Demokratie in der Europäischen Union, "notfalls gegen den Willen der Wählerinnen und Wähler".

Ernsthafte Bewerbung oder Satire?

Auch wenn Schlüter als unabhängiger Kandidat antritt, erscheint aufgrund seiner Nähe zur "Partei" zumindest fraglich, ob sein Wahlprogramm ganz ernst zu nehmen ist. Der 30-Jährige habe bereits zahlreiche Erfahrungen in der Lokalpolitik sammeln können, sei Mitglied einer dem Untergang geweihten, einstmals stolzen Arbeiterpartei sowie zuvor einer vom Verfassungsschutz beobachteten politischen Sekte gewesen, aus der er nur durch seine Flucht aus der ehemaligen DDR heraus gekommen war, behauptet Schlüter in seiner Pressemeldung, vermutlich wohl wissend, dass die DDR vor 30 Jahren in ihren Endzügen lag, eine "Flucht" also allerhöchstens im Kinderwagen möglich gewesen wäre.

Beruflich arbeite Schlüter als freier Autor. Seit 2007 lebe er in Berlin, wo er zunächst "sein brotloses Studium der darstellenden Künste abschloss und schließlich über acht Ecken zum Schreiben von drittklassigen Büchern und Kurzgeschichten kam", schreibt er.

In der Pressemeldung heißt es weiter: "Schlüter glaubt, dass vieles gut läuft in Bad Herrenalb, aber er ist auch davon überzeugt, dass sein Blick von oben herab (also von Berlin aus) und seine Berufserfahrungen als Bürgermeister in allen Versionen von Sim City dringend benötigte Akzente liefern können."

Potenzial sieht er nach eigener Aussage im Ausbau erneuerbarer Energien und schlägt daher konkret die Schaffung eines freiwilligen Hamsterrad-Dienstes vor. "Auf diese Weise müssten in Bad Herrenalb keine ungeliebten und Vogel tötenden Windmaschinen gebaut werden, die die schöne Aussicht auf den nächsten Berg verschandeln. Für Langzeitarbeitslose soll der Dienst übrigens verpflichtend gelten. Die haben sowieso nichts Besseres zu tun", so Schlüter

Auch für das Thema Wohnraum und Kriminalität setze sich Schlüter besonders stark ein. In Bezug auf die Herausforderungen der kommenden Jahrzehnte schreibt er: "Die Schaffung eines Problembezirks ist obligatorisch, wenn Bad Herrenalb auch in der Zukunft noch bestehen will. Wirtschaftlich wachsende Städte wie Hamburg, Köln, Berlin, Dortmund, sogar Dresden und Chemnitz haben sich an diesem Konzept bereits erfolgreich orientiert."

An den Terminen für die Kandidatenvorstellung könne sich Schlüter laut Pressemitteilung "leider nicht beteiligen", lade aber zu einem offenen Dialog auf seinem Instagram-Account, www.instagram.com/s.schlueter.nk/, ein.

Dort würden auch regelmäßig neue Punkte aus seinem "Regierungsprogramm" und weitere Meldungen zu seiner Kandidatur unter dem Hashtag #BadHerrenalb2019 veröffentlicht.