Die sechsköpfige Familie Beraj fühlt sich in Bad Herrenalb wohl und würde gerne hier bleiben. Foto: Müller

Sechsköpfige Familie hat sich in Bäderstadt eingelebt und muss nun wieder zurück nach Albanien.

Bad Herrenalb - Wegen einer Krankheit ihres Sohnes kam die Familie Beraj 2015 aus Albanien nach Deutschland. Seit November 2015 ist sie in Bad Herrenalb – und mittlerweile voll integriert. Dennoch: Nachdem auch der Härtefallantrag abgelehnt worden ist, müssen sie das Land in den nächsten Tagen wieder verlassen.

"Papa, ich muss noch Hausaufgaben machen", ruft der siebenjährige Aldi und die zweijährige Ajla wuselt durch die Wohnung. Die beiden größeren Kinder sind gerade bei den Pfadfindern. Alles so wie bei einer ganz normalen Familie? Nicht ganz. Aber fast. "Das ist Integration pur", sagt Beate Müller, die über den Arbeitskreis Asyl die Betreuung der Familie übernommen hat und ergänzt: "Das ist unsere Vorzeigefamilie in Bad Herrenalb."

Doch der Reihe nach: Familienvater Adriatik Beraj arbeitete 15 Jahre in Griechenland, ehe er seine Stelle während der Wirtschaftskrise im Jahr 2011 verlor. Drei Kinder der Familie, die Zwillinge Aurito und Ariol sowie der dritte Sohn Aldi, wurden in Griechenland geboren. Bereits mit den Zwillingen sei es in Griechenland schwer gewesen, für nötige Operationen geeignete Krankenhäuser zu finden. Noch schwieriger wurde die Situation mit der Geburt von Aldi, der an der Hautkrankheit Ichtyose (Verhornungsstörungen der Haut) leidet. Weder in Albanien noch in Griechenland habe die Krankheit diagnostiziert werden können.

Sohn wurde im Kindergarten "geächtet, gehänselt und gejagt"

Die Familie ging 2013 zurück nach Albanien und wollte 2015 wieder nach Griechenland, bekam aber keine Aufenthaltserlaubnis. Mittlerweile sei die Situation für Aldi immer schlimmer geworden, erzählt Vater "Adri" und Müller ergänzt: "Aldi musste aus dem Kindergarten genommen werden, weil er geächtet, gehänselt und auf der Straße gejagt wurde." Er sei als "total verstörtes, verängstigtes Kind" nach Deutschland gekommen, so Müller weiter.

Denn Deutschland war das Ziel, das die Familie ausmachte, um für ihren Sohn die geeignete Diagnostik und Behandlung zu bekommen. Also machten sie sich 2015 – noch vor der großen Flüchtlingswelle – auf den Weg nach Deutschland und landeten im März 2015 zunächst in der Landeserstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge in Karlsruhe. Von dort ging es weiter nach Heidelberg. Im April 2015 war dann der erste Termin zur Antragstellung auf Asyl (in Karlsruhe). An diesem Tag aber, so erzählt Adri Beraj, seien zu viele Personen eingeladen gewesen, sodass sie wieder unverrichteter Dinge zurück nach Heidelberg fuhren. Im Juli kamen Berajs in die Aufnahmeeinrichtung in Bad Wildbad und im November dann in ihre nach Bad Herrenalb.

Im Juni 2016 – also erst 15 Monate nach ihrer Ankunft – war der zweite Termin, an dem die Familie ihren Asylantrag stellen konnte. Währenddessen, so erzählt Müller, sei das Asylrecht aufgrund der Flüchtlingswelle zwei Mal geändert worden. Eine für Familie Beraj entscheidende Änderung: Albanien war nach der neuen Regelung "sicheres Herkunftsland" und der Asylantrag wurde im September 2016 als "offensichtlich unbegründet" abgelehnt. Im Oktober stellte die Familie dann gemeinsam mit Beate Müller einen Antrag an die Härtefallkommission in Stuttgart.

Nach "siebenmonatigem Kampf mit der Äusländerbehörde des Landratsamtes Calw" habe der Vater dann sogar eine Arbeitserlaubnis bekommen, obwohl er lediglich den Status eines geduldeten Asylbewerbers aus einem sicheren Herkunftsland hatte, erzählt Müller. Kurze Zeit später fand er Arbeit als Trockenbauer, mittlerweile habe er einen unbefristeten Arbeitsvertrag als Produktionshelfer. Seit November 2017 arbeitet außerdem seine Frau Aurora 90 Stunden im Monat in einem Seniorenheim. Somit bekomme die Familie keine Sozialleistungen mehr vom Staat und finanziere sich komplett selbst, so Müller. "Das ist für mich bisher der größte Erfolg in der Bundesrepublik", schrieb Adri Beraj dazu in seinem Härtefallantrag.

Auch sonst habe sich die Familie in Bad Herrenalb vorbildlich integriert, erzählt Müller, die mit ihrem Mann nach und nach in die Rolle von Oma und Opa geschlüpft ist. So werden sie von den Kindern auch genannt. "Bea ist wie eine Mutter und Oma für uns. Wir haben hier eine neue Familie gefunden", sagt Adri.

Die drei Jungs gehen mittlerweile in die Schule, in die dritte und erste Klasse. Zu Hause wird nur deutsch gesprochen. Die ganze Familie ist Mitglied in der katholischen Kirchengemeinde, die Kinder, und etwas später auch die Eltern, wurden allesamt in Bad Herrenalb getauft. Auch sonst engagiert sich die Familie: Die Kinder sind bei den Pfadfindern und im Judoclub, Mutter Aurora hilft nebenher noch einer Familie aus Afghanistan, die im gleichen Haus wohnt, und arbeitet ehrenamtlich in der Kleiderkammer. "Ich möchte die Hilfe zurückgeben, die wir bekommen haben", sagt sie.

Bad Herrenalb und Deutschland haben viel zu bieten

Rundum fühlt sich die Familie wohl. "Bad Herrenalb und Deutschland haben so viel zu bieten", ist Adri von der Hilfsbereitschaft begeistert: "Die Leute hier, das gibt es in Albanien und Griechenland nicht."

Also eigentlich alles gut? Nein, denn im Januar kam der ablehnende Bescheid von der Kommission. Es werde kein Härtefallersuchen an das Innenministerium gestellt. Das bedeutet, dass die Familie nun auf jeden Fall zurück nach Albanien muss. Zumindest vorläufig. Denn sobald sie in Albanien sind, können sie in der deutschen Botschaft eine Arbeitserlaubnis beantragen. Die Chancen dafür stehen nach Müllers Aussagen gut, da beide bereits ein Beschäftigungsverhältnis in Deutschland vorweisen können und "die Arbeitgeber nach persönlicher Rücksprache alles versuchen werden, ihre Mitarbeiter zurückzugewinnen", so Müller weiter. "In zwei bis drei Monaten könnten sie wieder hier sein", hofft sie.

Selbst wenn alles nach Plan läuft, bedeutet das für die sechsköpfige Familie, erst einmal alles zurück zu lassen: Haushalt und Telefonvertrag auflösen, die Kinder aus der Schule heraus nehmen. Somit würden sie ein komplettes Schuljahr verlieren.

"Für die Familie ist das ganz schlimm. Die Kinder reden überall nur deutsch und unsere Tochter kennt kein anderes Land", sagt der Familienvater. Er findet es vor allem unverständlich, dass es bei der Gesetzesänderung keine Übergangsfrist für die Leute gegeben habe, die bereits im Land gewesen seien.

In der katholischen Kirche wurde sogar die Kommunion für die Kinder vorgezogen, da sie wahrscheinlich im April nicht mehr hier sein werden, erzählt Müller. Außerdem habe es eine kleine Abschiedsfeier "und eine Welle von Traurigkeit und Solidarität für die Familie" gegeben.

Nun warten die Berajs auf ihre Flugtickets. Der Rückflug werde über die Diakonie in Nagold abgewickelt, die mit der Internationalen Organisation für Migration (IOM) in Albanien zusammenarbeite, sagt Beate Müller, die anfügt: "Wir werden die ersten Tage auf jeden Fall mitgehen, weil das für uns sehr wichtig ist. Da hängt so viel Herzblut dran." Dies sei ein Musterbeispiel für Integration und auch für das ehrenamtliche Engagement des Arbeitskreises Asyl. Entsprechend groß sei nun die Enttäuschung.

Jetzt heißt es also für die albanische Familie: "Gehen, um bleiben zu dürfen."