Bleiben sie Calw verbunden – oder wollen sie in den Landkreis Karlsruhe wechseln? Am Sonntag haben die Bürger von Bad Herrenalb die Qual der Wahl. Foto: Jehle

Bürgerentscheid: Stadt stimmt am Sonntag über einen Antrag für einen Landkreiswechsel von Calw nach Karlsruhe ab.

Bad Herrenalb - Der Kurort modernisiert sich. In Bad Herrenalb reiht sich seit Monaten eine Baustelle an die andere. Auch der Kurpark ist derzeit aus Sicherheitsgründen mit Bauzäunen umstellt und für Touristen damit keine Option. Drinnen helfen Minibagger den Bauarbeitern, die Beete so zu präparieren, dass dort im nächsten Sommer bunte Blumen blühen können: Vom 13. Mai bis 10. September des kommenden Jahres findet in Bad Herrenalb die kleine Landesgartenschau statt.

Doch es gibt ein Thema, das die rund 7700 Einwohner von Bad Herrenalb im Nordschwarzwald in diesen Tagen noch mehr beschäftigt als das Mega-Event: der mögliche Wechsel vom Landkreis Calw in den Landkreis Karlsruhe – von Württemberg nach Baden.

Auch im schmucken Café-Bereich einer Bäckerei gegenüber des Kurparks sitzen an diesem Vormittag zwei ältere Herren, die über die Vor- und Nachteile eines Kreiswechsels diskutieren. "Was soll das bringen?", sagt der eine, "da ändert sich die Kreisumlage ein wenig. Aber für uns Bürger sehe ich keinen Mehrwert."

Ein anderer Gast mit Schiebermütze spitzt die Ohren und wirft er mit badischem Singsang ein: "Ich bin für den Landkreiswechsel nach Karlsruh’!" Die Wege zum Landratsamt, zu Kliniken und Berufsschulen seien gerade mit öffentlichen Verkehrsmitteln nach Calw deutlich länger als nach Ettlingen oder Karlsruhe. Und überhaupt: "Wir haben noch nie einen Bezug zu Calw gehabt. Eigentlich hätten wir schon in den 70er-Jahren nach Karlsruhe gehört."

Damals, im Zuge der baden-württembergischen Kreisreform, wurde Bad Herrenalb mit seiner Thermalquelle dem als Bäderkreis bezeichneten Landkreis Calw zugeordnet. Immer wieder gab es in den Jahrzehnten danach einzelne Stimmen, die sich eine Zugehörigkeit zu Baden und Karlsruhe gewünscht hätten. Doch diesmal wird dieser Wunsch mit Nachdruck verfolgt: Eine Bürgerinitiative ("Sag Ja zum Landkreis Karlsruhe") sammelte 1600 Unterschriften für ein Bürgerbegehren und brachte damit den parteilosen Bürgermeister Norbert Mai in Zugzwang, der das Thema erst 2018 nach der Landesgartenschau aufgreifen wollte.

An diesem Sonntag ist es nun so weit. Dann sind 6300 Wahlberechtigte aufgerufen, am Bürgerentscheid teilzunehmen. Die Frage auf dem Stimmzettel klingt sperrig: "Sind Sie dafür, dass sich die Stadt Bad Herrenalb bei der Landesregierung, den Landtagsfraktionen sowie den Landtagsabgeordneten dafür einsetzt, dass diese eine Gesetzesvorlage in den Landtag einbringen, nach der die Stadt Bad Herrenalb aus dem Landkreis Calw aus- und in den Landkreis Karlsruhe eingegliedert wird?"

Es geht zunächst also nur darum, ob Bürgermeister Mai einen solchen Antrag stellen soll. Bisher gibt es nämlich kein entsprechendes Gesetz, um einen Landkreiswechsel einfach so vornehmen zu können. Sollten sich die Bürger von Bad Herrenalb dafür aussprechen, muss das Regierungspräsidium (RP) Karlsruhe unter Einbeziehung der Vor- und Nachteile für beide Landkreise prüfen, ob "Gründe des öffentlichen Wohls" für einen Wechsel vorliegen. Erst danach könnte dann ein Gesetz zur Änderung des Gebiets eines Landkreises in den Landtag eingebracht werden. Das letzte Wort hätte ohnehin das Parlament.

Ungeachtet dieser bürokratischen Hürden trommelt die Bürgerinitiative (BI) weiter lautstark um Unterstützung. Sie erhofft sich von einem Landkreiswechsel vor allem einen wirtschaftlichen Impuls – durch die Ansiedlung von IT- und Beratungsunternehmen aus dem Raum Karlsruhe.

An der Tankstelle am Ortsausgang hält ein junger Pendler dagegen: "Was hindert Unternehmen denn derzeit, sich in Bad Herrenalb niederzulassen? An der Anbindung ändert sich doch durch den Landkreiswechsel nichts", sagt er – und winkt ab. Aus seiner Sicht ist die Situation der Stadt vergleichbar mit der eines Spediteurs, der kurz vor der Insolvenz steht: "Verbessert sich dessen Auftragslage, nur weil er bei den Sattelzügen von Mercedes- auf MAN-Modelle wechselt? Nein!"

Gartenschau bringt der Stadt womöglich mehr als ein neues Ortsschild

Dass Bad Herrenalb zuletzt keine rosigen Zeiten mehr durchlebt hat, spiegelt sich nicht zuletzt in den teils zerfransten Markisen mehrerer Gastronomiebetriebe im Ortskern wider. Die finanzielle Lage der Stadt ist angespannt – ein eigenes Gewerbegebiet fehlt bis heute. Immerhin werden nun dank der Gartenschau einige Millionen Euro in die Infrastruktur gesteckt.

Die Stadtverwaltung habe versucht, möglichst objektiv zu informieren, heißt es aus dem Rathaus. Umso verwunderter zeigte sich Mai vor der Einwohnerversammlung gestern Abend über ein Schreiben, das ihm unterstellt, sich 2014 für einen Landkreiswechsel ausgesprochen zu haben. Tatsächlich habe er die Bürgerinitiative in dem Brief über eine intensive Diskussion im Gemeinderat informiert. Darin seien die Bürgervertreter grundsätzlich einig gewesen, "dass die Stadt Bad Herrenalb aufgrund der geografischen Lage und der wirtschaftlichen Verflechtungen in den Großraum Karlsruhe hinein eindeutig dem Landkreis Karlsruhe zugeordnet gehört". Was nun fehlt, klagt Mai, sei, dass damals aber auch darüber Einigkeit geherrscht habe, dass für einen Wechsel der Zeitpunkt denkbar ungünstig sei.

Der Calwer Landrat Helmut Riegger empfiehlt derweil: "Man sollte sich auf die Zukunft konzentrieren. Die Gartenschau ist eine riesige Chance." Und Bad Herrenalbs Hauptamtsleiter Johannes Kopp erklärt: "Ich hoffe, dass das Ergebnis akzeptiert wird – egal, wie es ausgeht."

Zurück in der Bäckerei, bringt es eine junge Mutter auf den Punkt: "Wenn die Stadt die Gartenschau nutzt, um sich gut zu präsentieren, und die Rahmenbedingungen im Ort für Unternehmen verbessert werden, bringt uns das mehr, als wenn wir auf dem Ortsschild das Etikett ändern und sonst alles beim Alten bleibt."