Arno Luik Foto: Verlag

Präzise, kräftig, wuchtig: Der Journalist, Autor und S-21-Aktivist Arno Luik stellt im Stuttgarter Rathaus seine „Rauhnächte“ vor, sein radikales Tagebuch zur Tumordiagnose.

Rauhnächte: So heißen die Nächte zwischen Weihnachten und Dreikönig, in denen dem Volksmund nach Dämonen und Gespenster umhergehen. Wenn ein Buch diese Höllenzeit im Titel führt, verheißt das nichts Gutes. Schlimmes also berichtet Arno Luik von den zermürbenden „Rauhnächten“, die er durchwacht, durchlebt, durchleidet, seit bei ihm im September 2022 Darmkrebs festgestellt wurde – und zum ersten Mal in seinem Leben legt sich der Autor und Journalist ein Tagebuch zu, das mit einem „Nachtmahr zum Neuen Jahr“ am 31. Dezember endet: „Die schlimmste Nacht bisher. Kein Schlaf. Schmerzen im Bauch. Ich fühle mich kotzelend. Sitze gekrümmt auf einem Stuhl. Dann tigere ich durch die Wohnung, schreie leise auf.“

Und plötzlich ist alles anders

An diesem Montag, 19.30 Uhr, stellt Luik die im Frankfurter Westend-Verlag erschienenen Aufzeichnungen im Sitzungsaal des Rathauses vor – und man wird Bekenntnisse hören, private, intime, verzweifelte, die man von dem kämpferischen Journalisten sonst nicht zu hören gewohnt ist, schon gar nicht in Stuttgart, wo er mit seiner Expertise ein Gesicht des Widerstands gegen Stuttgart 21 geworden ist. „Ökonomisch ein Desaster. Ökologisch: unverantwortbar. Sicherheitstechnisch: lebensgefährlich“, bilanziert er in „Schaden in der Oberleitung“, seinem Buch zum Bahnfiasko. Doch nun: Krebs mit 68 – und die Erfahrung, dass die Diagnose alles ändert in einem Journalistenleben, in dem es bisher nur aufwärts ging. Luik war Chefredakteur der Berliner „taz“, ging – nach einem Zwischenspiel bei der Münchner „AZ“ – zum Hamburger „Stern“ und firmierte dort als so bewunderte wie gefürchtete „Edelfeder“. Doch plötzlich, nach der Diagnose, beobachtet er „die allgemeinen Aufgeregtheiten mit Verblüffung“ – Aufgeregtheiten, die früher sein Leben waren.

Er lässt nicht locker

Zugegeben: Luik macht hier und anderswo Erfahrungen, die andere Krebspatienten schon vor ihm gemacht haben. Verzweiflung, Einsamkeit, Schmerzen, aber auch das Glück der kleinen Dinge, eines Gartens, der blüht, eines Kuchens, der von Nachbarn in Königsbronn vorbeigebracht wird, wo der Wahl-Hamburger in seinem Elternhaus einen Zweitwohnsitz hat. Aber der Autor beschreibt seine persönliche Zeitenwende radikaler, präziser, unsentimentaler als viele andere, die mit ihrer Erkrankung ebenfalls in die Öffentlichkeit treten. Daraus resultieren Kraft und Wucht der „Rauhnächte“, die freilich – bei einem Homo politicus wie ihm – nicht bei der Krankheit stehen bleiben. Sein Leiden am Krebs wird, mitunter eine Spur zu eitel, zu einem Leiden an einer Welt, deren Zustand er aus linker Perspektive immer mitdenkt, von der Kritik an der Ukraine-Berichterstattung der Medien bis hin zur Abrechnung mit den Grünen, die von der Friedens- zur Kriegspartei geworden sei.

Man sieht: Auch in seinem Krebstagebuch lässt Luik nicht locker, trotz allem. Vor der Buchvorstellung im Rathaus ist er übrigens auch einer der Hauptredner der 666. Montagsdemo gegen Stuttgart 21.

Arno Luik – Lesung und Gespräch. An diesem Montag, 19.30 Uhr, im Sitzungssaal des Stuttgarter Rathauses