Anni Friesinger-Postma mit dem Sportpsychologen Jan Mayer bei einem Vortrag. Foto: Leif Piechowski

Die früher Spitzensportlerin Anni Friesinger-Postma startet bei der Tour Ginkgo, die in Fellbach beginnt.

Fellbach/Stuttgart - Auch nach dem Ende ihrer aktiven Laufbahn ist sie eine der beliebtesten Sportlerinnen der Republik. Demnächst können ihre Fans Anni Friesinger-Postma aus der Nähe bewundern. Nicht auf Schlittschuhen, sondern auf dem Fahrrad – als prominente Teilnehmerin der Tour Ginkgo.

Frau Friesinger-Postma, ausgeprägte Beinmuskulatur braucht man beim Eisschnelllauf wie beim Radfahren. Haben Sie Erfahrung auf dem Drahtesel?
Aber sicher. Das Rennrad ist für Eisschnellläufer ein wichtiges Trainingsmittel. Beide Sportarten benötigen ausgeprägte Muskulatur. Die Edelsprinter sind ja richtige Kraftpakete. Im Sommer legt man durchs Radfahren die Basis für den Sport im Winter. 6000 Kilometer im Jahr sind üblich. Da geht’s viele Pässe rauf und runter. Auch jetzt bin ich noch oft auf dem Rad unterwegs, gerade in Salzburg geht’s die WM-Strecke steil bergauf. Ich brauche Bewegung, es zieht mich einfach raus.

Beim Radfahren wie Eisschnelllaufen kann man leicht stürzen. An eine Szene mit Ihnen aus dem Jahr 2010 erinnern sich bis heute alle Fernsehzuschauer.
Das war bei den Olympischen Spielen in Vancouver, die Teamverfolgung im Halbfinale gegen die USA. Ich wollte am Schluss noch mal Vollgas geben, bin dann aber kurz vor dem Ziel ins Straucheln gekommen und gestürzt und habe bäuchlings noch das rechte Bein nach vorne gerissen, um mit der Kufenspitze die Zeitmessung auszulösen. Das waren dann die entscheidenden zwei Zehntel. Aber ich bin erst mal völlig frustriert mit den Händen vorm Gesicht auf dem Eis gelegen. Ich dachte, ich hab’s fürs Team vermasselt. Erst nach ein paar Sekunden kam die Erlösung. Das wurde dann so ein Medienereignis – schon verwunderlich, dass so ein Sturz viel länger im öffentlichen Gedächtnis hängen bleibt als die ganzen Erfolge.

Für die anstehende Tour Ginkgo reicht die Kondition?
Na, das ist ja kein Rennen, das sind ja nur 100 Kilometer am Tag in moderatem Tempo. Ich bin zum ersten Mal bei der Tour Ginkgo dabei. Von meinen rund 120 Mitfahrern kenne ich also persönlich noch nicht viele, aber da ist ja dann Zeit genug, sich auszutauschen.

Wieso fahren Sie überhaupt mit?
Ich bin Markenbotschafterin der Süddeutschen Krankenversicherung (SDK), die in Fellbach ihren Sitz hat und die Hauptpate der Tour Ginkgo ist. Da ist ja klar, dass ich dann auch mitfahre.

Bei der Tour geht’s frühmorgens los.
Das ist kein Problem für mich, ich bin doch junge Mutter, da ist der Start um 8 Uhr nicht wirklich früh. Wenn ich meinem Mann beim Melken helfen muss, geht’s um drei viertel fünf raus in den Stall.

Wird Ihr Mann denn mitfahren?
Wir überlegen es uns zumindest. Er wird auf jeden Fall vor Ort in Fellbach sein, mal sehen, wie sich das organisieren lässt mit unserer Tochter, die ist dann elf Monate. Wär nicht schlecht, wenn er mitfährt, denn er ist fit, zudem 1,90 Meter groß und ein richtiger Schrank, der könnte uns allen einen guten Windschatten geben.

Direkt nach der Tour wird Ihre Tochter ein Jahr alt. Kürzlich haben Sie es angeblich nicht mal beim Friseur ohne Tochter ausgehalten.
Ja, das war vier Wochen nach der Geburt. Nach einer Stunde war die Sehnsucht so groß, dass ich mit nassen Haaren und ohne Styling nach Hause geeilt bin. Die vielen schönen Momente im Sport sind nichts gegen das Gefühl, wenn man Mutter wird. Ein Kind gibt so viel Freude, das ist schöner als jede Goldmedaille.

"Wir haben kein typisches Ehemodell, aber das hält die Beziehung frisch"

Schnell sind Sie nicht nur auf dem Eis und dem Fahrrad: Vor der Geburt Ihres Töchterchens Josephine sind Sie 147 Kilometer von Sneek in Holland nach Meppen ins Emsland gebraust.
Ich wollte, dass mein Mann bei der Geburt dabei ist, aber das ist in den Niederlanden nicht üblich. Aber das Gute war, dass die ganzen Journalisten in Sneek oder Leuuwarden gelauert haben und ich so meine Ruhe hatte.

Angeblich denken Sie schon ans zweite Kind.
Absolut, gerne, ich denke, im Abstand von zwei Jahren würde das passen.

Dabei leben Sie in Salzburg und Ihr Mann in Sneek. Wie kommt’s?
Mein Mann ist Landwirt, hat 260 Melkkühe, insgesamt mit allen Kälbchen und so weiter sind es 500 Tiere, dazu kommen etliche Angestellte. Ich hab’ da natürlich auch schon mitgeholfen. Aber ich bin eben ein Kind der Berge. So pendle ich halt hin und her. Ich muss unterwegs sein, ich brauche meine Projekte. Ich gebe zu, wir haben kein typisches Ehemodell, aber das hält die Beziehung frisch.

Dann könnten Sie ja wenigstens mit Ihrem Kleinflugzeug schnell von Österreich nach Holland fliegen?
Ich habe den Pilotenschein, das stimmt, ich brauche Kerosin in der Nase. Ein eigenes Flugzeug habe ich aber nicht, das kann ich mir in der Anschaffung nicht leisten. Aber ich kann mir beim Flugclub in Salzburg immer eines reservieren. Aber zuvor muss ich erst mal wieder einige Flugstunden machen, da besteht Nachholbedarf.

Als Berufsbezeichnung steht auf Ihrer Homepage: Ex-Eisschnellläuferin, Designerin, Model. Gschamig sind Sie jedenfalls nicht, es gibt etliche erotische Fotos, Boulevardmedien schwärmen vom „Super-Body“ der „rassigen Blondine“.
Na, nach der Schwangerschaft trifft das wohl nicht mehr ganz zu. Ich wünsch’ mir schon manchmal meinen Sportlerkörper zurück. Nackt für den „Playboy“ gibt’s im Übrigen ohnehin nicht. Da müsste man komplett blankziehen, und das will ich nicht.

Wie wär’s mit dem Job Fernsehmoderatorin?
Fürs niederländische Fernsehen habe ich bei der Eislauf-Europameisterschaft schon Vorberichte und Analysen gemacht. Mit der Sprache ist das kein Problem, durch die Liebe habe ich Niederländisch gelernt. Im Fernsehen, genauer in einer Rateshow, war ich übrigens kürzlich mit Ids – bei „Mein Mann kann“, dem härtesten Beiziehungstest Deutschlands auf Sat 1, wie es heißt. Wir haben da gegen Stefan Effenberg und seine Frau gewonnen. Einen Teil der Einnahmen von 50 000 Euro haben wir für die Tour Ginkgo gestiftet. Und dann war da noch die Quizshow von Jörg Pilawa, die wird am 11. Juli ausgestrahlt – ich darf aber nicht verraten, wie sie ausgegangen ist.

Legendär ist Ihr Dauerstreit mit Ihrer Konkurrentin Claudia Pechstein.
Es trifft sicher zu, dass wir keine Freundinnen sind, nicht recht zusammenpassen. Doch da wird auch viel überzeichnet. Aber ich sage auch, dass sie für mich kein Vorbild darstellt.

Und demnächst geht’s nach Fellbach – warum immer wieder Fellbach?
Na, vielleicht Zufall – oder doch mehr. Mein Manager Klaus Kärcher, der mich seit 1998 betreut, kommt aus Fellbach, ich bin Botschafterin für die SDK. Und dann habe ich 2005 vom OB Christoph Palm in Inzell ein besonderes Geschenk erhalten: Eiswein für die Eisprinzessin, hieß die Schlagzeile. Ich hatte damals am Etikett mitgearbeitet, und so haben die Fellbacher Weingärtner mir diese edelsüße Verführung gewidmet. Und nun darf ich von Fellbach aus das Schwabenland mal mit dem Fahrrad erkunden, nicht wie sonst nur mit dem Auto. Darauf freue ich mich sehr.

Seit 1992 organisiert die nach ihrer Gründerin Christiane Eichenhofer benannte Stiftung mit Sitz in Lorch-Waldhausen im Remstal alljährlich eine mehrtägige Benefiz-Radsportveranstaltung, die Tour Ginkgo. Benannt ist sie nach dem widerstandsfähigen Ginkgo-Baum – die erste Pflanze, die nach dem Atombombenabwurf auf das japanische Hiroschima wieder gesunde und grüne Blätter trug. In den 20 Jahren hat die Stiftung mehr als drei Millionen Euro  gesammelt. Die diesjährige Radtour findet vom 5. bis 7. Juli statt, Start ist jeweils Fellbach, von dort aus geht’s in den drei  jeweils etwa 100 Kilometer langen Etappen nach Stuttgart wie auch in die angrenzenden Landkreise. Das bei der Tour eingesammelte und von diversen Organisationen gespendete Geld geht in diesem Jahr an das Stuttgarter Olgahospital; damit soll  ein ganzheitliches Nachsorgeangebot für schwer kranke Kinder aufgebaut werden.