Ein ehemaliger Security-Mitarbeiter im Ankunftszentrum Ukraine räumte ein, zwei Mädchen sexuell missbraucht zu haben. (Archivbild) Foto: Marschal

Seit Mitte Mai sitzt er in Untersuchungshaft, seit Dienstag muss er sich vor dem Jugendschöffengericht des Hechinger Amtsgerichts verantworten. Ein 24-Jähriger, der im Ankunftszentrum Ukraine in Meßstetten für eine Sicherheitsfirma tätig war, soll dort zwei Mädchen im Alter von sieben und acht Jahren sexuell missbraucht haben.

Meßstetten - Dass er Security-Mann gewesen war, nimmt man dem hageren jungen Mann mit vollem schwarzen Haar und kurzem Bart kaum ab. Er wirkt kränklich, kommt leicht gebeugt in den Sitzungssaal, setzt sich still zwischen Verteidigerin und Dolmetscher.

Was zählt, sind seine Taten, und die wiegen schwer: Am 16. Mai soll er laut Staatsanwaltschaft zunächst die Siebenjährige in einem Gemeinschaftsraum, später dann die Achtjährige auf einer Toilette auf seinen Schoß gezogen, halb entblößt und im Intimbereich berührt haben. Die Mädchen rannten zu ihren Müttern, erzählten, was geschehen war. Die Polizei kam. Tags darauf wurde Untersuchungshaft angeordnet, und der junge Mann sitzt seitdem hinter Gittern.

Die Taliban im Nacken

Mit Hilfe seines Dolmetschers beantwortet der Angeklagte bereitwillig die Fragen der Vorsitzenden Richterin. Die Vorwürfe räumt er allesamt ein. Und dann schildert er eine Kindheit und eine Jugend, die man sich hierzulande schwer vorstellen kann. Die Schule in seiner Heimat habe er "nicht so ernst genommen", sagt er. Nach der siebten Klasse habe er die Schule verlassen. Die Eltern hätten ihm verboten, weiter zur Schule zu gehen, weil die Taliban ihn gezwungen hätten, "Dinge" für sie zu transportieren. Essen und Waffen. Sein Vater habe gearbeitet. "Er hat für die Regierung was gemacht, und deswegen hatten wir große Probleme."

Flucht, um nicht umgebracht zu werden

Nach der Schule habe es "keine großen Möglichkeiten" für ihn gegeben. Er sei meist daheim geblieben, in einem Dorf, das von den Taliban kontrolliert wurde. Als ältester Sohn der Familie habe er die Wahl gehabt, sich den Taliban anzuschließen, oder sich für einen hohen Betrag "freizukaufen". Von seinen Eltern sei er dazu gedrängt worden, zu fliehen, um nicht umgebracht zu werden oder jemanden umbringen zu müssen.

Aus der Türkei sei er im Schlauchboot übers Mittelmeer nach Europa gelangt, 2015 oder 2016 sei er in Deutschland angekommen, habe in einem Flüchtlingsheim, später in einem Kinderheim mit 15 anderen Jugendlichen gelebt, bis er die Arbeitsstelle bei der Sicherheitsfirma antrat, wo er letztlich die "Probleme" bekommen habe.

Die Verlobte nie gesehen

Eine Schwester habe er in Afghanistan zurückgelassen, und drei jüngere Brüder. Einer von ihnen sei nach Deutschland nachgekommen – der Einzige aus der Familie, zu dem er noch Kontakt habe. In Afghanistan habe er seit etwa acht Monaten eine Verlobte, die er noch nie gesehen habe. Die Eltern hätten die Verlobung "arrangiert", die 19-Jährige habe er nur telefonisch kennengelernt.

Untersuchungshaft setzt ihm zu

Die Untersuchungshaft sei schlimm, sagt der Angeklagte. Er sei dort mit Kriminellen eingesperrt und habe Angst, "wenn jemand an der Tür klopft". Seine Zelle verlasse er nur unter Polizeischutz. Auf die Frage der Staatsanwältin, ob er Angst habe, weil die anderen Häftlinge wüssten, was er getan habe und übergriffig geworden seien, antwortet er nicht eindeutig. Nur so viel: Er habe viel an Gewicht verloren, und er habe sich seit sechs Monaten nicht mehr getraut, zum Friseur zu gehen. Und er habe Schmerzen beim Sitzen. Der Anwalt der Nebenklage kündigte an, dass man Schmerzensgeld fordern wolle. 20000 Euro stehen im Raum.

Die Verhandlung wird am Dienstag, 29. November, ab 9 Uhr fortgesetzt. Dann werden unter anderem die Mütter der beiden Mädchen gehört, zudem die Polizisten, die bei der Tatortbegehung waren, möglicherweise auch ein Gutachter. An dem Tag soll auch das Urteil verkündet werden.