Foto: dpa

Die Staatsanwalt wirft dem Radprofi vor, seinem Ex-Teamchef Hans Holczer geschädigt zu haben.

Stuttgart - Über seine Dopingaffäre will Stefan Schumacher nicht mehr sprechen. Wer ihn nach seinen positiven Tests von der Tour de France 2008 und Olympia in Peking fragt, bekommt als Antwort: "Kein Kommentar." Bald muss sich der Radprofi allerdings doch noch einmal zum Epo-Mittel Cera äußern, das in seinem Blut gefunden wurde - vor Gericht. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart klagt Schumacher (29) wegen Betrugs an, und sie betritt damit im Umgang mit Dopingsündern Neuland.

Einen Termin für eine Verhandlung vor der fünften Strafkammer des Landgerichts Stuttgart (Aktenzeichen 5 KLS 211 JS 88929/08) gibt es bisher nicht, der Vorwurf aber ist klar: Die Staatsanwaltschaft unterstellt Schumacher Betrug, weil er seinen früheren Gerolsteiner-Teamchef Hans Holczer hintergangen habe. Während der Tour 2008 war bekanntgeworden, dass das Blutdopingmittel Cera ab sofort nachgewiesen werden könne. Daraufhin habe Schumacher seinem Teamchef versichert, niemals mit Cera in Berührung gekommen zu sein. Drei Monate später wurde bekannt, dass Schumacher in Frankreich gedopt war. Seine Probe hatte Cera enthalten. "Herr Schumacher hat sich vertraglich verpflichtet, die Dopingvorschriften zu beachten und nicht zu betrügen. Er leugnete jegliche Manipulation, und Herr Holczer hat darauf vertraut", sagte die Stuttgarter Staatsanwaltssprecherin Claudia Krauth gegenüber dieser Zeitung, "dabei ist aus unserer Sicht ein strafrechtlich relevanter Schaden entstanden." 

Es geht um eine Summe von 150.000 Euro.

Es geht um eine Summe von 150.000 Euro - das entspricht Schumachers Gehältern für die Monate Juli, August und September 2008. Im Oktober, nach Veröffentlichung des positiven Testergebnisses, kündigte Holczer seinem Fahrer. Dagegen klagte Schumacher, der Doping stets bestritten hat, woraufhin Holczer mit einer Gegenklage reagierte und die letzten drei Monatsgehälter zurückforderte. Der Rechtsstreit vor dem Stuttgarter Arbeitsgericht endete mit einem Vergleich: Schumacher zog seine Klage gegen die Kündigung zurück, Holczer behielt einen Teil von Schumachers Preisgeldern, die er eingefroren hatte: 6500 Euro.

Im August 2010 wurde Holczer neun Stunden von der Staatsanwaltschaft vernommen. Als Zeuge. Angezeigt hat er Schumacher nicht: "Ich bin davon ausgegangen, dass wie immer in Dopingfällen ohnehin nichts passiert." In der Tat geht die Staatsanwaltschaft Stuttgart neue Wege - noch nie ist ein gedopter Sportler wegen Betrugs angeklagt worden. Im Fall Jan Ullrich zum Beispiel wurde das Betrugsverfahren gegen Zahlung einer mittleren sechsstelligen Summe eingestellt. "Was nun geschieht", sagte Holczer, "könnte ein wichtiger Fingerzeig im Anti-Doping-Kampf sein."

Das sieht Michael Lehner anders. Schumachers Anwalt bringt die Anklage nicht aus der Ruhe: "Ich sehe weit und breit keinen Schaden. Strafrechtlich betrogen hat er sicher nicht. Was die Staatsanwaltschaft tut, ist rechtlich sehr konstruiert und nicht sauber." Aus Sicht des Juristen hat der Fall auch eine politische Dimension. "Es geht um einen Athleten, der sportrechtlich maximal bestraft worden ist", sagte Lehner, "was will der Staat da noch?" Schließlich habe die Anklage nichts mit dem Versuch zu tun, an Hintermänner wie Ärzte oder Teamchefs heranzukommen: "Ich weiß nicht, welche Motivation dahintersteckt. Das ist eine Dimension im Anti-Doping-Kampf, von der ich dachte, sie wäre überwunden."

Stefan Schumacher, dessen Wohnung im Oktober 2008 durchsucht worden war, zeigte sich "überrascht" von der Anklage, doch auch der Radprofi gibt sich gelassen. "Ich warte jetzt mal ab", sagte der Nürtinger, der seit zwei Monaten für das italienische Team Miche fährt, "und so lange konzentriere ich mich auf den Sport."