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Illegale Waffen dürfen straffrei abgeliefert werden - hierzulande ist man kulanter als etwa in Niedersachsen.

Stuttgart - Tausende Bürger in der Region Suttgart haben seit dem Amoklauf vom 11. März freiwillig ihre Waffen abgegeben. Darunter so mancher, der die Gewehre oder Pistolen geerbt hat. Auch illegale Waffen dürfen straffrei abgeliefert werden - hierzulande ist man kulanter als etwa in Niedersachsen.

Manche Erben finden nach dem Tod des Vaters die Waffen auf dem Dachboden oder in einer Kellerecke, wo sie jahrelang völlig ungesichert herumlagen. Viele dieser Erben, die also auch keinen Waffenschein besitzen, wollen nach dem Amoklauf die Waffen schnell wieder loswerden. Noch bis 31. Dezember können Waffen beim Landratsamt, in Rathäusern oder den Polizeidienststelle der Region ohne bürokratischen Aufwand abgegeben werden, warb auch Landes-Innenminister Heribert Rech um eine schnelle Ablieferung bei den Behörden.

Für illegale Waffen gibt es zudem eine Amnestie - wer eine solche abgibt, bleibt straffrei. Erst im nächsten Jahr gibt es in derartigen Fällen eine strenge strafrechtliche Verfolgung.

Wie heikel die Rückgabe sein kann, zeigen mehrere Vorfälle in Goslar in Niedersachsen. "So etwas will ich nicht im Haus haben, ich habe zwei Kinder." Mit diesen Worten legte ein Mann die aus dem Besitz seines verstorbenen Vaters stammende Walther P08 auf den Tresen im Polizeirevier. Von den Beamten wurde der verdutzte Mann wegen unerlaubten Führens einer Waffe angezeigt. Der Vorwurf: Er habe die Pistole verbotenerweise zur Polizei transportiert und sich strafbar gemacht. Wie die Goslaer Polizei betont, dürfen nur Waffenscheininhaber die Waffe persönlich abgeben. Alle anderen Personen dürften geerbte, gefundene oder nicht mehr benötigte Waffen auf gar keinen Fall persönlich abliefern. Sachverständige der Kommunen oder der Polizei würde die Waffen nach Absprache zu Hause abholen. Insgesamt laufen in Goslar bereits in sieben derartigen Fällen Ermittlungen.

In Baden-Württemberg stößt diese harte Verfolgung auf Kopfschütteln. "Dafür habe ich kein Verständnis", sagt die Sprecherin des Innenministeriums, Alice Loyson-Siemering. Erben zu verfolgen, nur weil sie ihre Waffen selbst abgeben, das kommt auch in der Waiblinger Kreisbehörde nicht in Frage. Gerade im Landratsamt sowie in den Rathäusern der großen Rems-Murr-Städte werden immer noch viele Waffen abgegeben - eine Folge der Nähe zum Amoklauf-Tatort in Winnenden. Die Bürger dann strafrechtlich zu verfolgen, das sei "völlig kontraproduktiv", sagt Ralph Chemnitzer, Leiter des Ordnungsbereichs im Landratsamt. "Wir wollen die Menschen doch nicht abschrecken oder gar davon abhalten; Hauptsache ist doch, die Waffe kommt."

Dennoch werden die Beamten im Landratsamt immer wieder mit skurrilen, ja gefährlichen Situationen konfrontiert. "Die Leute bringen ihre Gewehre mal in einen Teppich gewickelt vorbei, oder auch in Taschen verstaut oder in Plastiktüten gehüllt", was natürlich dem Waffengesetz widerspreche. Doch "wir behandeln das alles so unbürokratisch wie möglich". Mancher erbt die Waffe vom Opa, "und bringt sie geladen vorbei, weil er nicht weiß, dass noch ein Schuss drin ist". Oft seien es Laien, die von der Materie keine Ahnung hätten. Direkt nach der Abgabe hält ein Experte des Amtes die Waffe vorsichtshalber in einen großen Sandbehälter, "drückt noch mal ab - und ab und zu kommt auch noch 'ne Kugel raus", sagt Chemnitzer.

Die Vorschriften besagen, erklärt der Ordnungsamtsleiter der Stadt Waiblingen, Werner Nussbaum, dass die Erben nach Paragraf 37 Waffengesetz "unverzüglich" den Besitz anzeigen müssen. Die Behörde kann dann die Waffen sicherstellen oder anordnen, dass sie unbrauchbar gemacht oder an einen anderen Berechtigten überlassen werden. Wenn die Erben die Waffen behalten wollen, können sie binnen vier Wochen eine Waffenbesitzkarte beantragen. Sofern sie als zuverlässig gelten und die Karte erhalten, müssen die Waffen aber unschädlich gemacht werden - durch ein Blockierrsystem, das ein Fachmann, also ein Büchsenmachermeister, anbringen muss. Zudem dürfen die Waffen dann auch nicht etwa als Schmuckstück an die Wand gehängt, sondern müssen sicher verschlossen werden.

Wie der Rems-Murr-Kreis im kommenden Jahr mit dem Ende der Amnestieregelung agiert, ist so ganz klar noch nicht, zögert Chemnitzer. Vermutlich werde auch weiter der gute Willen der Erben honoriert, die ihre Flinten oder Revolver loswerden wollen. Das Ziel, möglichst viele Waffen einzusammeln, gelte ja weiterhin.