Die 19-jährige Lorena Müllner, Kandidatin der Linken im Wahlkreis, macht Politik aus Leidenschaft und eifert damit der Spitzenkandidatin ihrer Partei, Sahra Wagenknecht (links), nach. Foto: Müllner Foto: Schwarzwälder-Bote

Bundestagswahl: 19-Jährige Lorena Müllner (Linke) gilt als jüngste Kandidatin

Sie ist gerade einmal 19 Jahre alt: Lorena Müllner aus Altensteig. Und damit aktuell wohl deutschlandweit die jüngste Kandidatin im Bundestagswahlkampf. Ihre Partei: die Linke – "und das aus Überzeugung". Denn hier kann sie ihre Ziele für eine bessere Welt aktiv leben.

Kreis Calw/Freudenstadt. Wer jetzt glaubt, ein so junger Mensch kann doch noch nicht wirklich politische Verantwortung übernehmen, wird von Lorena Müllner schnell eines Besseren belehrt. Bereits mit 17 Jahren hat sie im Kreis Calw die Linksjugend gegründet und aufgebaut, danach erste Erfahrungen als engagierte Unterstützerin im letzten Landtagswahlkampf für ihre Partei gesammelt. Was der Parteiführung sofort auffiel – weshalb es prompt zur Nominierung für das Bundestagsmandat kam.

Woher aber kommt dieses Engagement? Müllner erzählt, wie sie in der neunten Klasse eine Dokumentation über den Faschismus schreiben sollte. Sie machte die Geschichte von Sophie Scholl zu ihrem Thema, las auch nach dieser Arbeit viel von Hanna Arendt, zum Beispiel "Eichmann in Jerusalem. Ein Bericht von der Banalität des Bösen". Das habe sie tief geprägt. Als dann 2015 in Deutschland die Flüchtlingskrise losbrach, "mit allen schlimmen Begleiterscheinungen", wollte sie unbedingt etwas tun, suchte dafür mit Bedacht den für sie richtigen Rahmen. Und fand ihn.

"Mir haben die klaren Positionen der Linken gefallen", das unmissverständliche Einstehen für das Asylrecht. Der Solidaritätsgedanke. Sie selbst sei von ihren Eltern "religions-neutral" erzogen worden, sollte sich, wenn es so weit wäre, eine eigene Meinung bilden. "In der Schule habe ich Religion abgewählt und mich für den Ethik-Unterricht entschieden." Aber sie möge trotzdem das Christentum – "meine Mutter ist Pfarramtssekretärin". Vor allem das Gebot der Nächstenliebe, das bei Lorena Müllner "ganz natürlicherweise" immer mit Engagement verbunden ist: Für ein Freiwilliges Soziales Jahr nach dem Abitur sei sie in die Tübinger Tropenklinik gegangen, habe dort unter anderem auf der Palliativ-Station gearbeitet. "Das lässt einen nicht unberührt."

Für ein Praktikum habe sie auch auf der "Jugendfarm" in Kornwestheim gearbeitet, im Prinzip ein betreuter Abenteuerspielplatz, wo Kinder und Jugendliche unter anderem durch den Umgang mit Tieren soziale Verantwortung lernen. Lorena Müllner hat von dieser Zeit die Entscheidung für sich mitgebracht, auf Fleischkonsum zu verzichten. "Aber nicht auf Käse – den liebe ich!" Was sie außerdem noch liebt: "heiße Schokolade." Und Gummibärchen, von denen es aktuell im Bundestagswahlkampf die besten "bei den Kollegen von den Grünen" gebe, wie Müllner ohne Allüren eingesteht – und sich beim Straßenwahlkampf in Nagold reichlich mit den grünen und "veganen" Gummibärchen der politischen Konkurrenz eindeckt.

Berührungsängste hat sie keine. Nach sechs Wochen Wahlkampf duzt sie sich mit Grünen-Kandidat Kubesch (Zitat: "Würden wir Koalitionsverhandlungen führen, wären wir uns nach einer halben Stunde einig.") und Kollegin Saskia Esken von der SPD. "Politik lebt vom Miteinander, nicht von der Konfrontation." Wobei Müllner auch eine gesunde Streitkultur mag – Leidenschaft eben. Ihr Freund sei "Anarchist, er lehnt jede Form von Parteien ab". Da seien tolle, heiße Diskussionen vorprogrammiert. "Da fliegen auch mal die Fetzen." Aber nur auf der Sachebene, "man darf nicht persönlich werden". Es gehe um den Wettstreit der besten Argumente.

Und den beherrscht die in solchen Situationen extrem reif wirkende Lorena Müllner bereits perfekt. Wie bei der Podiumsdiskussion von Deutschem Gewerkschaftsbund (DGB) und IG Metall in der Alten Seminarturnhalle in Nagold. Thema: die Rentenpolitik der im Bundestag vertretenden Parteien. Während die anderen Kandidaten teilweise "dramatisch ’rumeiern", wie es ein Zuhörer ausdrückt, entwirft Linken-Kandidatin Müllner ein klares Szenario, wie man die Rente zukunftsfähig machen könnte – nach dem Modell Österreichs: Einführung einer Mindestrente, gleichzeitig Ausweitung der Rentenversicherungspflicht auch auf Beamte, Selbstständige und natürlich auch die höheren Einkommensklassen – "eben auf alle". So einfach sei das. Und nur das sei wirklich gelebte, gesamtgesellschaftliche Solidarität.

Für diese mit viel Leidenschaft vorgetragenen Positionen erntet Müllner bei diesem Publikum breite Zustimmung, viel Applaus. Sie geht hier als Siegerin vom Platz, attestiert auch das Publikum. Wobei sich der eigentliche Erfolg der Linken-Kandidatin an diesem Ort im Hintergrund abspielt, und von den meisten Anwesenden – auch von den Gewerkschaftern – unbemerkt bleibt. Unmittelbar vor der DGB-/IG-Metall-Veranstaltung hatten sich die Bundestagskandidaten zu einer Gesprächsrunde mit Jugendlichen im Nagolder Jugendzentrum "Youz" getroffen. Auch hier faszinierte vor allem Müllner die Anwesenden, ist sie doch jünger als mancher der Youz-Besucher – weswegen eine ganze Reihe von denen ihr hinüber in die Seminarturnhalle gefolgt waren, um Müllner hier auch noch einmal "in Erwachsenenwelt" zu erleben. Ihr eindrucksvoller Auftritt hinterließ bei diesen "Zaungästen" einen extrem nachhaltigen Eindruck. Von wegen Politikverdrossenheit der Jugend.

Und auch folgendes soll von der jüngsten Kandidatin zur Bundestagswahl nicht unerwähnt bleiben: Eines der Themen in der Youz-Runde war die Legalisierung des Cannabis-Konsums und welche Positionen die verschiedenen Parteien dazu haben; das interessiert Jugendliche eben besonders brennend. Lorena Müllner ist für eine Legalisierung und Entkriminalisierung des Cannabis-Konsums, auch aufgrund der therapeutischen Wirkung von Cannabis. "Ich unterstütze das uneingeschränkt." Unter anderem, weil sie sei selbst Schmerz-Patientin sei und aus eigenem Erleben wisse, wie wichtig der Zugang zu geeigneten – im Vergleich zu synthetischen Wirkstoffen – "sanften" Schmerzmitteln sein könne. Auf Nachfrage erzählt Müllner, dass sie sich durch die Arbeit in der Pflege einen akuten, extrem schmerzhaften Bandscheibenvorfall zugezogen habe; etwa Platz zu nehmen auf den Barhockern während der Diskussionsrunde in der "Semi" fällt ihr entsprechend sichtbar schwer. Doch deshalb den Wahlkampf unterbrechen oder kürzertreten – "kein Gedanke." Die Themen hier seien einfach wichtiger als der Schmerz.