Das ehemalige Rotgerberhaus steht heute noch am Altensteiger Saumarkt. Foto: Stadler Foto: Schwarzwälder Bote

Heimatgeschichte: In Altensteig erinnert noch viel an das ehemals für die Stadt wichtige Gewerbe

Als Flößerstadt ist Altensteig weit bekannt. Eine weitere, einst wichtige Branche hatte ebenfalls mit der Waldwirtschaft zu tun: die Gerberei.

Altensteig. Bereits in der Antike verwendeten die Römer Rinde von Bäumen zum Gerben von Tierhäuten, um daraus Leder herzustellen. Der Höhepunkt der Gerberei mit pflanzlichen Materialien lag im 19. Jahrhundert. Damit war es in den 1960er-Jahren schlagartig vorbei – der Einsatz chemischer Produkte war auf dem Vormarsch.

In früheren Zeiten erwirtschaftete die Landbevölkerung einen Teil ihres Einkommens durch Arbeiten im Wald. Auch der Verkauf von Baumrinde bescherte den Menschen im Schwarzwald Einnahmen. Gerber gab es zu dieser Zeit in vielen Waldgemeinden um Altensteig.

Gerben nennt man den Vorgang, bei dem tierische Haut so behandelt wird, dass sie nach dem Wiedereinweichen nicht mehr hornartig austrocknet oder in Fäulnis übergeht. Bereits früher war bekannt, dass jede Pflanze Gerbstoffe enthält. Die Art und Menge der Gerbstoffe variieren von Pflanze zu Pflanze und sind vom Standort abhängig.

Relativ gerbstoffreich, mit 10 bis 20 Prozent verwertbarem Gerbstoff, sind die Rinden von Fichten und Eichen. Diese sind und waren im Schwarzwald stets reichlich verfügbar. Im Ostschwarzwald war die Gerbrindengewinnung ein Nebenprodukt der Holzwirtschaft. In den Seitentälern des Südschwarzwaldes wurden zur Gewinnung von Eichrinden extra Eichenschälwälder angelegt.

Im Frühjahr, wenn der Saft in die Bäume steigt, ist die beste Zeit zur Rindengewinnung. Außerdem ist es wichtig, dass die Rinde noch keine Borken gebildet hat. Damals wusste man schon, dass nur junge und glatte Rinden die erforderliche Menge an Gerbstoffen enthalten. Die Rinden wurden zu dieser Zeit im Wald von den Stämmen abgeschält und am Waldrand in der Sonne getrocknet. Im Sommer wurden sie mit dem Ochsenfuhrwerk nach Altensteig gefahren. Die Bahn wurde ebenfalls genutzt, um die Rinden in die Gerberei zu transportieren. In früheren Zeiten konnte man oft das "Altensteigerle" mit mehreren Waggons im Schlepp beobachten, wie es das Nagoldtal herauf schnaufte.

Am Bahnhof standen Pritschenwagen bereit, mit denen die Rinden zum Empfänger gebracht wurden. In der Gerberei wartete ein Rindenschneider, der einer Futterschneidmaschine glich, darauf, die Rinden in Stücke zu brechen und sie mittels Gebläse in den Rindenschuppen zu befördern. Dort lagerten zum Ende der Saison hunderte Tonnen Rinden. Nachkaufen konnte man erst wieder zu Beginn der neuen Saison.

Aus dem Rindenschuppen wurden die Eichen- und Fichtenrinden je nach Verwendungszweck gemischt und in der Lohmühle zu hobelspanähnlichen Stücken, der sogenannten Lohe, gemahlen. Der Standort Lohmühle befindet sich im Altensteiger Gewerbegebiet Richtung Berneck. Heute erzeugen die Stadtwerke dort Strom.

Mit der Lohe, die den Gerbstoff Tannin beinhaltet, wurden früher Kuhhäute gegerbt. Rund 30 Kilogramm waren nötig, um eine Kuhhaut in Leder zu verwandeln. Durch den Gerbvorgang erhielten die Rinderhäute eine rötliche Färbung. Verwendet wurden sie vor allem für Schuhsohlen. Die Altensteiger Gerber waren deshalb sogenannte "Rotgerber". Das so genannte Rotgerberhaus steht noch heute am Saumarkt und beherbergt eine Massagepraxis.

Der Beruf des Rotgerbers ist mittlerweile ausgestorben. Im Zuge der Industrialisierung wurde er durch den Lederarbeiter abgelöst. In zahlreichen Familienamen, die auf den Begriff der Lohe zurückgehen, wie Loher, Lohrer, Lauer, Löhrer oder Löber, wird an den Beruf erinnert.

Für die Gerberei wurden große Wassermengen gebraucht, deshalb lagen die Gerbereien meist am Wasser, einem Bach oder einem Fluss und wegen der Geruchsbildung meist auch außerhalb der Siedlungen. Sowohl bei der Vorbereitung zur Gerbung, als auch nach der Entnahme aus der Gerblohe mussten die Häute für viele Stunden gespült und gewässert werden.

Die Rinderhäute wurden etwa zwei Monate, manche auch viel länger, schichtweise in einer Grube in die Lohe eingelegt und regelmäßig umgeschichtet. Übrig blieb – neben dem Leder – der so genannte "Lohkäse", also der Abfall. Die ausgelaugte Lohe wurde getrocknet und als Heizmaterial für den Winter eingelagert oder von den Bauern als Streu genutzt.

In Altensteig erinnern einige Straßen an die frühere Gerberei, beispielsweise der Lohmühlweg oder der Gerberweg. In der Bahnhofstraße (neben dem Parkplatz von Edeka) steht die ehemalige Rindenscheuer, und in der Stadt wohnt der letzte noch lebende Gerber, Peter Moser.