Foto: Lothar Schwark

Stadtgeschichte wird mit Festakt gefeiert. Blick zurück mit Stolz und nach vorn mit Zuversicht.

Alpirsbach - Beim Festakt zum Stadtrechts-Jubiläum ließ Anita Frank die wechselvolle Geschichte Alpirsbachs anschaulich und mit Humor gewürzt aufleben – und Bürgermeister Michael Pfaff schlug voller Zuversicht einen Bogen in die Zukunft. "Wir alle sind Alpirsbach", gab er dabei als Devise aus.

Kraft schöpfen aus der Vergangenheit, obwohl und gerade weil sie meist alles andere als einfach war: Dieser Appell zog sich wie ein roter Faden durch die Reden beim Festakt im Alpirsbacher Haus des Gastes. Aber auch die Unterhaltung kam nicht zu kurz, und beim anschließenden Stehempfang hatten die mehr als 300 Gäste bei Getränken und einem Imbiss Gelegenheit zum Gespräch.

"150 Jahre Stadtrecht" – dieses Jubiläum biete Grund, mit Stolz zurückzublicken und mit Selbstbewusstsein zu feiern, betonte Bürgermeister Michael Pfaff. Es gelte aber auch, innezuhalten und "Kraft zu schöpfen für den weiten Weg, der vor uns liegt". Was Alpirsbach ausmache, sei der "Geist der Stadt, das gesellschaftliche Klima". Unternehmertum und ehrenamtliches Engagement hätten die Stadt geprägt. "Wir alle sind Alpirsbach", sagte Pfaff, "wir machen die Stadt lebenswert und attraktiv."

Ihm schwebe eine Stadtentwicklungsplanung unter dem Motto "Alpirsbach 2030" vor – losgelöst von Einzelvorhaben. "Lassen sie uns die Stadt mit Mut und Ausdauer weiterentwickeln", appellierte Pfaff. Viel wäre seiner Meinung nach allerdings schon erreicht, wenn es in zehn oder 20 Jahren die bestehende Infrastruktur noch gebe.

Anita Frank, Stadträtin der Frauenliste, nahm die Gäste mit auf eine "Zeitreise mit den Augen einer Kommunalpolitikerin". Historisch fundiert zeigte sie die Entwicklung Alpirsbachs mit ihren wesentlichen Wendepunkten auf und streute so manche Anekdote ein. Äußerlich unterstrich Frank die Darstellung der Epochen mit wechselnder Kleidung – von der einer Bäuerin im 19. Jahrhundert bis zum bunten Outfit einer Flower-Power-Frau der 60er- und 70er-Jahre. Die Künstlergruppe "Tripple S" aus Horb lockerte den Vortrag mit ebenso furioser wie kunstvoller Jonglage und einer LED-Lichtshow auf.

"Etwas Keckes, leicht Erregbares" im Wesen

Von der Klostergründung im Mittelalter ging es im Zeitraffer durch die Jahrhunderte. In Alpirsbach war gut leben, betonte Anita Frank, zeitweise gab es acht Schilderwirtschaften und sechs Bierbrauereien. Den Alpirsbachern sei von einem Beobachter "Fleiß, Betriebsamkeit und Sparsamkeit" attestiert worden, aber auch "etwas Keckes, leicht Erregbares" in ihrem Wesen.

Mitte des 19. Jahrhunderts sei die wirtschaftliche Not groß gewesen, es gab Missernten und Naturkatastrophen, viele Alpirsbacher seien ausgewandert. Nach vielen Eingaben habe die Gemeinde das Stadtrecht bekommen, "aber essen konnten sie nichts davon", bilanzierte Anita Frank.

Um 1880 war vom einst blühenden Gewerbe nur noch eine Wollspinnerei übrig. Dann kam die Eisenbahn, aber trotzdem ging es mit der Wirtschaft in der Klosterstadt nur schleppend voran. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war die Krise überwunden. Es gelang, den Fremdenverkehr in der Stadt zu etablieren. Doch mit dem Ersten Weltkrieg war diese Blütezeit vorbei. Auch in den folgenden Jahrzehnten spiegelte sich in der Klosterstadt die deutsche Geschichte mit all ihren Ab- und Aufschwüngen – von den schweren Inflationsjahren über die Machtergreifung durch die Nationalsozialisten und den Zweiten Weltkrieg bis zum Wirtschaftswunder. Damals, so Frank, "wuchs Alpirsbach an den Hängen empor".

Sie blickte auf die Anfänge der Gewerbeschau und der Kreuzgangkonzerte zurück, auf die Eingemeindung der Stadtteile, das wirtschaftliche Wachstum, den Bau der Trinkwassertalsperre Kleine Kinzig, aber auch auf die Bemühungen um den Erhalt des historischen Stadtkerns. Ab 1998 habe die Stadt zunehmend finanzielle Sorgen gehabt, das Hallenbad und das Krankenhaus wurden geschlossen.

Ein Hauptaspekt der Zeitreise war die Rolle der Frau. "Beim Wiederaufbau nach 1945 arbeiteten Frauen bis zur Erschöpfung am Wiederaufbau mit", hob die Referentin hervor. 1918 wurde in der Weimarer Republik das Wahlrecht für Frauen eingeführt. "Aber es dauerte 62 Jahre, bis die erste Frau in den Alpirsbacher Gemeinderat gewählt wurde", betonte Anita Frank. Bis zur Kommunalwahl Ende Mai dieses Jahres habe es insgesamt nur sieben Stadträtinnen in Alpirsbach gegeben. Umso mehr freute sich Anita Frank darüber, dass dem künftigen Gemeinderat vier Frauen angehören. Mit einem zuversichtlichen Blick nach vorn beendete Anita Frank ihre Zeitreise: "Alpirsbach ist ein sehens- und liebenswerte Stadt und bleibt dies hoffentlich noch lange."

Hans-Joachim Fuchtel plädierte in seinem Grußwort für einen "Schub zum Erhalt und zur Stärkung des ländlichen Raums". Bürgermeisterin Valérie Glatard betonte in ihrer Ansprache, dass sich Alpirsbach und Neuville sur Saône seit den ersten Kontakten Anfang der 70er-Jahre und der Gründung der Partnerschaft 1973 stark für die Zusammenarbeit und den soziokulturellen Austausch engagiert und damit zum gegenseitigen Kennenlernen und Erfahrungsaustausch beigetragen hätten. Davon zeugten besonders der jährliche Schüleraustausch und die Kontakte der Vereine untereinander. In einer Zeit, in der Europa geschwächt erscheine durch das Aufkommen neuer Nationalismen, sei die Stärkung der Verbindungen zwischen den Völkern umso wichtiger.

Das Schlusswort des Festakts wäre nach dem ursprünglichen Programm Holger Korneffel, dem ersten stellvertretenden Bürgermeister, vorbehalten gewesen. Er war jedoch vor einigen Wochen überraschend verstorben. Bürgermeister Pfaff würdigte ihn als Kommunalpolitiker, der die Geschicke der Stadt maßgeblich mitgestaltet habe. Holger Korneffels Verdienste um Alpirsbach könne auch der Tod nicht auslöschen.