Mit Hanna war Martin Jehle seit 1942 verheiratet. Foto: Schwarzwälder-Bote

Die erste Veranstaltung zu Ehren des 100. Geburtstags von Martin Friedrich

Die erste Veranstaltung zu Ehren des 100. Geburtstags von Martin Friedrich Jehle war die Eröffnung der Sonderausstellung "Liederbücher ab 1800" in der Musikhistorischen Sammlung Jehle am 7. Dezember; die Ausstellung läuft noch bis 27. April. Heute, am 3. Januar, findet die zweite Veranstaltung zu Jehles Ehren statt: Ab 17 Uhr führt Ursula Eppler durch die Sonderausstellung "Liederbücher ab 1800". Die dritte und letzte Veranstaltung zu Ehren von Martin Friedrich Jehles 100. Geburtstag – und dem 98. Geburtstag von Hanna Jehle am 27. Januar – beginnt am Sonntag, 26. Januar, um 17 Uhr im Stauffenberg-Schloss: Der Herausgeber Volker Jehle stellt das Buch "Mitten im Alltag" vor, die gesammelten Feuilletons von Hanna Jehle, und andere über ausgewählte Stücke der Musikhistorischen Sammlung Jehle, womit der Kreis sich schließt. Musikalische umrahmen wird den Abend der Pianist Wolfgang Brandner aus Laufen.

Albstadt-Lautlingen (vj). Heute wäre Martin Friedrich Jehle 100. Jahre alt geworden. Grund genug, an den Begründer der Musikhistorischen Sammlung Jehle zu erinnern, der Klavierbaumeister, Musikalienhändler und Chef seines eigenen Musikhauses war.

In diesem Leben war Musik drin: Martin Friedrich Jehle, der heute vor 100 Jahren in Ebingen geboren wurde und 1982 starb, war Klavierbaumeister, Musikalienhändler, Chef des Musikhauses Johannes Jehle mit Geigenbau- und Blechblasinstrumentenbauwerkstatt sowie einem Musikverlag, Gründer der Pianofortefabrik Jehle Ebingen und der Musikhistorischen Sammlung Jehle, die heute im Stauffenberg-Schloss Lautlingen untergebracht ist. Zudem leitete Jehle den Chor der Friedenskirche, war Musikhistoriker, Buchautor und Vortragsreisender.

Von der Schreinerei in die Piano-Fabrik

Das älteste Kind und der einzige Sohn des Komponisten, Orgelbauers, Musikverlegers, Musikalienhändlers und Chorleiters Johannes Jehle (1881 bis 1935) hatte zunächst in der Ebinger Möbelschreinerei Johannes Grotz gearbeitet, ehe er ab 1929 eine Lehre zum Klavierbauer in der Klavierfabrik Karl Hardt in Stuttgart machte, die er mit der Gesellenprüfung 1931 abschloss, ehe er zur Pianoteile-Fabrik Louis Renner und der Harmoniumsabteilung der Klavierfabrik Schiedmayer in Stuttgart wechselte. Nebenher besuchte er das Konservatorium für Musik und hätte am liebsten Musik studiert. Wegen eines Schlaganfalls seines Vaters begann er jedoch am 1. Oktober 1932 im Musikhaus als Klaviertechniker.

Legendär sind seine Radtouren bis Köln und Berlin, ist seine Tour mit Hermann Stern auf dessen Motorrad 1938 ins Sudetenland, nach Prag und Rumänien.

20 Jahre alt und mit dem Fahrrad unterwegs, kaufte er 1934 in Jena das Hammerklavier, das wohl Mozarts Klavierbauer Johann Andreas Stein gemacht hat – das Schmuckstück der Musikhistorischen Sammlung Jehle.

Vermutlich hatte Martin Friedrich Jehle bereits Mitte der 1930-er Jahre Klavierbaupläne, aber im August 1939, ein paar Tage nach dem Besuch der Salzburger Festspiele, musste er einrücken, war am 9. April 1940 bei der Besetzung von Oslo dabei. Dort suchte er nach alten Musikinstrumenten und beschäftigte seine ganze Kompanie mit den Modalitäten der Bezahlung und des Transports. Außerdem nahm er an zwei Singleiterkursen teil und gründete, als die Kompanie nordwärts zog, an jedem neuen Standort einen Soldatenchor. Bei Aufführungen über nahm er den Part des Pianisten selbst – er soll fantastisch improvisiert haben.

Zur Hochzeit schnell vom Nordkap heim

Zur Hochzeit mit der Lehrerin Hanna Seeger am 17. Juni 1942 in der Kapellkirche reiste er von einem Fjord hinterm Nordkap an und danach wieder zurück, doch 1943 war die Zeit in Norwegen vorbei. Jehles Kompanie nahm an der Schlacht von Fastow im Osten teil, in der er am 10. November 1943 verwundet wurde. Die abenteuerliche Rückreise endete im Lazarett in Tübingen, wo er die ersten Jehle-Klaviere entwarf und die Verwundung endlich operiert wurde. Tragisch: Zeit Lebens behielt er einen steifen rechten Ellbogen und steife Finger an der rechten Hand. Cello und Klavier spielen konnte er nicht mehr.

Seine älteste Tochter Ursula war noch nicht lange auf der Welt, da nahm Jehle die Arbeit als Chef des Musikhauses Johannes Jehle auf, begann mit der Organisation von Konzerten in der "Reihe wertvoller Musik", die bis 1952 weit mehr als 50 Veranstaltungen umfasste – zum Eintritt berechtigte anfangs ein Holzscheit oder ein Brikett. Seine Reihe der Museumskonzerte ab 1964 – ab 1977 hießen sie Schlosskonzerte und es waren pro Jahr sechs Veranstaltungen –, war fester Bestandteil des Albstädter Kulturlebens.

Auch politisch war Jehle aktiv, zählte 1946 zu den Gründern der CDU Ebingen, war 1946 bis 1951 CDU-Kreisvorsitzender, erhielt 1956 die Adenauer-Gedenkmedaille und 1980 das Bundesverdienstkreuz. "Ja, ja", spottete eine Freundin der Familie, "der Martin hat den Bundesverdienst, die Hanna das Kreuz." Ab 1947 hielt er Vorträge über musikgeschichtliche Themen, sogar in Schloss Mainau und der Kongresshalle Berlin. Sein erstes Buch "1000 Jahre Musik in Ebingen" blieb allerdings ungedruckt.

Im Musikhaus verwahrte er nebst alten Musikinstrumenten die musikalischen Nachlässe seines Vaters und Großvaters – die Urzelle der Musikhistorischen Sammlung Jehle, die er 1948 erstmals öffentlich vorstellte und 1964 öffentlich zugänglich machte: im obersten Stock des Ebinger Rathauses. 1970 verkaufte er sie der Stadt Ebingen. Seit 1977 wird die Sammlung im Lautlinger Schloss gehütet, betreut seit über 30 Jahren von seiner Tochter Ursula Eppler.

Den Chor der Friedenskirche übernahm Jehle 1948, stand bei großen Konzerten mit Chor, Orchester und Solisten am Dirigentenpult, löste den Chor aber 1977 nach Differenzen mit dem damaligen Pfarrer auf.

Die Einstellung des ersten Lehrlings 1949 gilt als Datum der Gründung der Pianofortefabrik Jehle. Zunächst im Hinterhaus in der Schmiechastraße, ab 1956 in zwei unteren Stockwerken der Fabrik Erwin & Hugo Blicke in der Riedstraße. Klaviere und Flügel lieferte er weltweit, sein Schrankflügel war die Sensation der Frankfurter Musikmesse 1967. 1975 übergab er das Musikhaus seinem ältesten Sohn Peter, verlegte sein Büro in die Klavierfabrik und firmierte fortan als "Jehle KG". Doch auch dieses Kapitel schloss er ab, im März 1981 gab er den Fabrikschlüssel zurück, nicht ohne zuvor Inventar der Klavierfabrik und die musikwissenschaftliche Bibliothek aus dem Chefbüro in die Musikhistorische Sammlung gebracht zu haben – der dritte musikalische Jehle-Nachlass.

Das letzte Buch erscheint 1982

Endlich konnte er sich ganz der Sammlung und musikhistorischen Forschung widmen. Doch bereits Mitte 1982 kam er wegen Diabetes ins Krankenhaus. Das Erscheinen seines Buches "Württembergische Klavierbauer des 18. und 19. Jahrhunderts" Ende Oktober 1982 im renommierten Fachverlag "Das Musikinstrument" nahm er noch zur Kenntnis. Am 14. November 1982 starb er in der Chirurgischen Klinik Tübingen. Bei seiner Beerdigung im Familiengrab auf dem Ebinger Friedhof trat der Chor der Friedenskirche noch einmal zusammen.