Tätowierer F. Cheung ist ein Meister des Schwarz und Grau: Für die nächsten anderthalb Jahre will er in Albstadt arbeiten. Foto: Kistner

F. Cheung aus Hongkong ist "1. internationaler Gasttätowierer" in Tattoo-Studio "Lifestyle-Garage".

Albstadt-Truchtelfingen - Hongkong, Melbourne, London – was kann einen, der in diesen Metropolen gelebt hat, noch reizen? Paris? New York? F. Cheung, Meistertätowierer aus Fernost, hat sich ein anderes Domizil auserkoren: Bis auf weiteres residiert er in Albstadt.

Den "Artist in residence" gibt es, den "Tattooist in residence" nicht – aber wenn es ihn gäbe, dann würde das Prädikat auf F. Cheung passen. Seit etwas mehr als einem Monat ist er "1. internationaler Gasttätowierer" in Hans-Peter Mautes Truchtelfinger Tattoo-Studio "Lifestyle-Garage", und nach Stand der Dinge wird er das auch noch eine ganze Weile bleiben – bis Ende nächsten Jahres, berichtet Hansi Maute, sei das Auftragsbuch seines Gastes bereits gefüllt. Ein Tätowierer kann überall in der Welt seinen Lebensunterhalt verdienen, wenn er gut ist. Und Cheung, versichert Hansi Maute, ist gut.

Kennengelernt haben sich die Beiden über Instagram – Hansi Maute hatte mal wieder im Internet nachgeschaut, was die Kollegen in aller Welt so zustande bringen, und war dabei auf Cheungs Kreationen gestoßen. Die gefielen ihm ausgezeichnet, und das ließ er den Meister auch wissen. Zwischen dem gebürtigen Hongkonger und damaligen Wahl-Londoner, der seit mehreren Jahren durch die Welt globetrottet, und dem Truchtelfinger entspann sich ein digitaler Dialog; man beschloss, sich persönlich kennenzulernen, und so kam Cheung auf den Umweg über die Berliner Tattoo Convention nach Albstadt. Und blieb: Ein bisschen Luftveränderung, fand er, könne ihm und seiner Freundin Charlotte – sie stammt aus Macao, der früheren portugiesischen Kolonie im Süden Chinas – nicht schaden.

Hier Hongkong und London, dort Albstadt – eigentlich kann man sich den Kulturschock nur heftig vorstellen. Aber das war er nicht: F. Cheung gefällt Albstadt, weil es "not too busy" ist – von weltstädtischer Hektik hat er offenbar fürs Erste genug.

Im Übrigen scheint er in seiner eigenen Welt zu leben: Tagsüber tätowiert er; laut Hansi Maute ist er ein Virtuose des "Black and Grey" und der Weichzeichnung, einer technisch überaus anspruchsvollen Stilrichtung – gerade das "Schummrige" erfordert ein Höchstmaß an Präzision. Nicht von ungefähr sicherte sich Cheung am Wochenende bei der Reutlinger Tattoo Covention" die Prädikate "Bester der Show" und "Bester des Tages". Abends pflegt er sich in seine Onstmettinger Bleibe zurückzuziehen – und zu zeichnen. Auf Papier statt auf Haut.

Wer so in seinem (Kunst-)Handwerk aufgeht, dem kann es letztlich einerlei sein, wo er ihm nachgeht. Fragt man Cheung, was ihm an Albstadt besonders auffällt, dann sagt er "Der Himmel" – in seiner Heimatstadt Hongkong oder in London sieht man vor lauter Lichtern der Großstadt keine Sterne mehr. Deutsch kann er nicht; daher vermag ihn auch das Schwäbische nicht zu schrecken – mit seinen Kunden spricht er Englisch, und die Sprache der Kunst, zumal die der Tätowierkunst, ist bekanntlich international. Auch bei Cheung: Chinesische Schriftzeichen und Drachen wird man in seiner Ikonografie vergeblich suchen.

Bleibt die Frage nach dem Essen. F. Cheung ist ein höflicher Mensch; der Spinat, den er kürzlich vorgesetzt bekam, habe ihm gut geschmeckt, berichtet er, leicht verlegen lächelnd, und Maultaschen hat er offenbar auch schon probiert. Bedauerlich, dass er kein Schwäbisch kann – er könnte dann vermutlich sehr treffend ausdrücken, was er denkt, aber lieber nicht sagt: "Arg leis’."