Die Familien Bitzer und Caillet – im Bild beim gemeinsamen Urlaub im Sommer 2014 – bauen am neuen Europa. Rechts: die AK-Macher Günther Bitzer, Rainer Günther, Heide-Rose Hauser und Alt-Oberbürgermeister Hans Pfarr (von links). Fotos: Bitzer/Eyrich Foto: Schwarzwälder-Bote

Was die scheidenden Säulen des Arbeitskreises Chambéry in 35 Jahren Städtepartnerschaft so erlebt haben

Von Karina Eyrich

Albstadt. Wer ist der Arbeitskreis Chambéry – und wenn ja: wie viele? Unter den zehn scheidenden Mitgliedern des bislang 20-köpfigen Gremiums sind vier besonders starke Säulen. Nach 35 Jahren Partnerschaft erinnern sie sich an viele Höhepunkte und Anekdoten.

Busse, Übernachtungen und ein Programm für die gegenseitigen Besuche der Menschen aus den Partnerstädten Albstadt und Chambéry organisieren, das sind Kernaufgaben des Arbeitskreises Chambéry (AK) in Albstadt – klingt unkompliziert, ist es aber nicht. Beim Abendessen nach ihrer letzten Sitzung erinnern sich scheidende Säulen des AK an viele schöne Erlebnisse und manche Panne aus dessen Geschichte: Hans Pfarr, Gründungs-Oberbürgermeister Albstadts, Günther Bitzer und Heide-Rose Hauser als Vertreter des Sports sowie Dietmar Oberer, Gründer des Ebinger Kammerorchesters, gehören zu den fleißigsten Bauherren – und -damen – der Städtepartnerschaft, die 1979 in der Ebinger Festhalle besiegelt wurde. Im selben Jahr waren sie mit dem Sonderzug nach Chambéry gereist – zu Lokführer Henri pflegt Bitzer heute noch Kontakt –, doch zuweilen war der Weg auch beschwerlich: wie für Oberers Musiker, die einst ihren Bus nach jeder Rast wieder anschieben mussten – und sich bei der dritten Pause ausbaten, der Fahrer möge doch abschüssig parken.

Viele Sternstunden haben die Streicher den Chamberianern beschert, selbst wenn sie im Schein von Nachttischlampen ihre Noten lesen mussten: Chambérys Kirchen sind zuweilen recht dunkel. Freilich kam nicht alles, was die Albstädter brachten, gut an: Pfarr berichtet von einer Ausstellung übers Waldsterben – in Frankreich kein beliebtes Thema, wenngleich die Partnerstädte heute auch eine Umweltpartnerschaft pflegen.

Wie aus Partnerschaft eine innigeFreundschaft wird

Keine Meinungsverschiedenheiten kennen die Sportler, die sich – Sprachbarrieren sind heute mehr denn je wieder Thema – zur Not auch ohne Worte verstanden und "nie in Hotels, sondern immer bei Gastfamilien wohnten", wie Heide-Rose Hauser betont. Die Freundschaft zum Verein A.E. Bissy, dessen Handballer den Ebingern des TSV damals spielerisch weit unterlegen waren, ist auch Basis der Freundschaft zwischen Günther Bitzer und seiner in Frankreich aufgewachsenen Frau Ella mit Chantal und Gérard Caillet, der den A.E. Bissy als Präsident in die Champions-League geführt hat. Beider Familien haben erst kürzlich wieder zusammen Urlaub gemacht – und sind wie eine.

Gemeinsam mit Heide-Rose Hauser hat Bitzer die TSV-Turnerinnen und Gymnastinnen oft nach Chambéry begleitet: nicht nur in den Jubiläumsjahren zur halben Dekade, sondern auch beim viel häufigeren Kulturaustausch, und beide schwärmen von den idealen Trainingsbedingungen im dortigen Leistungszentrum, allerdings weniger von der früheren Präsidentin des Vereins Perce-Neige, deren Hochfrisur einst für die halbstündige Unterbrechung einer Sportgala gesorgt hat – die Dame war eitel.

Heide-Rose Hauser hingegen darf zu den Zupackenden gezählt werden, wie AK-Vorsitzender Rainer Günther von seiner bisherigen Stellvertreterin weiß: Eine "große Organisatorin" sei sie, ob beim Albstädter Maimarkt am Stand des AK oder wenn Albstadt sich in Chambéry präsentiert. Günther betont: "Ihr Ausscheiden ist ein großer Verlust."

Was hat die frischgebackenen AK-Rentner zu ihrem Einsatz motiviert? Hans Pfarr erinnert sich noch gut an Charles de Gaulles Rede an die deutsche Jugend, die er 1962 in Ludwigsburg live erlebt hat, und an Gebirgsjäger Rudi Gerstner, dessen Freundschaft zu einem früheren Kriegsgegner aus Chambéry Keimzelle der Jumelage war.

Alle angetrieben haben die Freundschaften auf persönlicher Ebene, die ihr Einsatz mit sich gebracht hat, und der Wunsch, jungen Menschen neue Erfahrungen im neuen Europa zu ermöglichen, damit sie voneinander lernen. "Für sie war das nie eine Frage", sagt Heide-Rose Hauser über ihre Gymnastinnen: "Nach Chambéry? Wir sind dabei!" Und Günther Bitzer fügt hinzu: "Am Ende des Aufenthalts mochten sich unsere Sportler und ihre Gastgeber kaum noch trennen."