Der Bagger in Aktion – allerdings wird der Damm behutsam abgeräumt, denn das Wasser soll nicht mit einem Schlag abfließen. Foto: Kistner

Am oberen Riedbach muss ein Kompromiss zwischen Natur- und Hochwasserschutz gefunden werden.

Albstadt-Ebingen - Nicht nur in Onstmettingen, auch in Ebingen ist seit einiger Zeit ein Biber ansässig – seine Burg hat er in der Nähe des Karl-Linder-Hauses und der Kleingartenanlage gebaut und dafür den Riedbach aufgestaut. Am Montag ließ die Stadt ihm einen Teil des Wassers ab.

Zwei bis drei Jahre, schätzt Heinz-Dieter Wagner, der Kreisbiberbeauftragte, dürfte es her sein, dass ein Biber den Bachlauf im äußersten Westen Ebingens als Revier entdeckte. Wo er herkam, darüber kann man nur spekulieren – vielleicht aus Onstmettingen, vielleicht aus dem Talgrund zwischen Ebingen und Straßberg, wo sich laut Wagner mindestens eines, womöglich zwei Biberreviere befinden.

Ein Biberweibchen bringt jedes Jahr ein bis drei Junge zur Welt, die gegen Ende des zweiten Lebensjahres als volljährig gelten und dann recht brutal aus dem "Hotel Mama" herausgebissen werden. Sie müssen sich eine andere Bleibe und ein eigenes Revier suchen und begeben sich notgedrungen auf die Wanderschaft. Sicher ist auch der Neusiedler im Ebinger Westen so in seine neue Heimat gelangt; die Gartenlandschaft muss ihm nach einer Odyssee durch größtenteils verdolte Bachläufe wie der Himmel auf Erden erschienen sein.

Mittlerweile ist der Biber am oberen Riedbach mehr oder weniger etabliert. Mit dem Biber sind neue Arten an den Bach gezogen, beispielsweise bunt schillernde Libellen von respektabler, Größe, und einige Kleingärtner finden das durchaus erfreulich. Die meisten anderen tolerieren den Biber, auch wenn die Dämme gelegentlich Spuren der Versuche aufweisen, sie abzutragen.

Der Lebensraum des Bibers ist tabu

Bringt nichts außer Ärger, sagt Heinz-Dieter Wagner: Erstens ist der Biber streng geschützt, und jeder Eingriff in seinen Lebensraum kann geahndet werden – und zweitens bewirkt eine Attacke auf seine Dämme oder seine Burg das Gegenteil von dem, was erreicht werden sollte: "Wenn ein Damm beschädigt ist", so Wagner, "dann zieht der Biber daraus den Schluss ›Hab nicht stabil genug gebaut‹ und legt sich noch mehr ins Zeug als zuvor." Letztlich wäre selbst ein Abschuss kontraproduktiv: Der Biber, so Wagner, markiert sein Revier mit einem Drüsensekret – fehlt die Duftmarke, dann kommt das einer Aufforderung an vagabundierende Artgenossen gleich, die vakante Stelle zu besetzen.

Was bedeutet: Am weitesten kommt, wer sich mit dem Biber arrangiert. Genau das versucht in dieser Woche die Stadt Albstadt. Dort, wo der Riedbach unter die Erde geht, um die Lerchenstraße zu unterqueren, befindet sich ein Regenrückhaltebecken, das bei Starkregen ähnlich einem Stauwehr das Wasser aufhält und so lange voll läuft, bis der Wasserspiegel den Überlauf erreicht hat.

Just am Einlass zum Schacht des Rückhaltebeckens hat der Biber einen Damm gebaut, und dieser sorgte zuletzt dafür, dass das Rückhaltebecken auch bei Trockenheit voll war. Beim nächsten Starkregen wäre es übergelaufen und seine segensreiche Wirkung verpufft. Daher hat die Stadt gestern buchstäblich den Stöpsel gezogen und mit dem Bagger den Biberdamm abtragen lassen, um den Wasserspiegel um 1,20 bis 1,50 Meter abzusenken.

Nicht mehr, wohlgemerkt – die Sondergenehmigung des Regierungspräsidiums verlangt ausdrücklich, dass 80 bis 100 Zentimeter Wasser im Gewässer zurückbleiben. Es muss nämlich gewährleistet sein, dass der Eingang zur Biberburg nicht trocken fällt, denn sonst ist sie nutzlos für den Nager. Sollte sich erweisen, dass der Zugang zu hoch liegt, muss er umgebaut werden. Außerdem müssen im Bedarfsfall Flussbausteine so an der Öffnung zum Schacht des Rückhaltebeckens platziert werden, dass der Wasserpegel nicht unter die 80-Zentimeter-Marke fällt.

Bei all diesen Maßnahmen – auch das ist Tübinger Vorschrift – muss der Fachmann, sprich Heinz-Dieter Wagner, zugegen sein. Wer Probleme mit dem Biber hat, wer beispielsweise eine Drahthülle als Rindenschutz für einen Obstbaum benötigt oder Wassergräben entdeckt hat, die just in sein Maisfeld führen, der sollte sich an ihn wenden – erfahrungsgemäß findet sich so gut wie immer ein Kompromiss zwischen Natur- und Interessenschutz. "Ich habe noch kein Problem erlebt", sagt Wagner", das sich nicht hätte lösen lassen."

Weitere Informationen: Heinz-Dieter Wagner Telefon 07436/870 27 oder 0173/724 33 61