Das Publikum war begeistert von "Art ’N’ Music". Die Gruppe "Volxtanz" spielte. Fotos: Retter Foto: Schwarzwälder-Bote

Das Projekt "Art ’N’ Music" haucht nicht nur dem leer stehenden Balthes-Maier-Gebäude pulsierendes Leben ein

Von Anne Retter

Albstadt-Tailfingen. Auf zwei Stockwerken haben sich zahlreiche Besucher davon überzeugt, dass Tailfingen alles andere als ausgestorben ist: Der beabsichtigte Paukenschlag zur Wiederbelebung des Ortsteils war deutlich zu vernehmen. Wenn Bürgerengagement auf talentierte Künstler trifft, beginnt das Herz zu klopfen; alle fühlen es: Daraus kann etwas werden!

Es herrscht schon früh ein reger Verkehr im Treppenhaus: Unten wird der Eintritt kassiert, im ersten Stockwerk wartet die Stadtkapelle Tailfingen mit Butterbrezeln, Leberkäsweckle und Getränken auf und "FILU" spielen Coversongs, bevor "Volxtanz" sie ablöst. Im zweiten Stock sind Werke von Lutz Muchow und Robert Zivkovic ausgestellt. Dazwischen huschen Albstädter unterschiedlichen Alters hin und her und sind begeistert. Initiator Herbert Mayer freut sich und hofft, dass es mit den Einnahmen so weit hinhaut, dass es Folgeveranstaltungen gibt. "Wir wollen weiter machen und freuen uns über alle, die sich unserer Gruppe anschließen wollen. Besonders Jugendliche und junge Erwachsene möchten wir mit an Bord holen, sie sollen schließlich auf lange Sicht gerne in Tailfingen bleiben wollen!"

Die Musiker von "FILU" haben jedenfalls schon klar gestellt, dass der Auftritt bei "Art ’N’ Music" ihr Debüt und nicht etwa eine einmalige Aktion war. "Wir möchten auf alle Fälle weitermachen!", sind sich Sängerin Anni Kyc und Gitarrist Jannik "Jimmy Kippe" Bitzer einig. Für ihn war es der erste Auftritt überhaupt, während Kyc und die drei übrigen – Andreas Bott am Bass, Detlev Sieber am Piano und Drummer Fabian Flad – schon erfahrene Bühnenkünstler sind. Mit poppigen Coversongs von "Kings of Leon" bis "Skunk Anansie" legten die Fünf einen ordentlichen Einstand hin.

Die Musiker von "Volxtanz" rockten im Anschluss die alte Fabrikhalle. Mit einer unheimlichen Energie fegten die sechs Jungs jeden Anflug von Gliedersteifigkeit aus den Knochen. Ihr kraftvoller "International World Beat" mit musikalische Elementen von Klezmer über Brass, Jazz, Rap und Afrobeat lebt vom Einsatz vielen Bläser und dem Rhythmus, den die Musiker mit vollem Körpereinsatz ins Publikum schleudern. An Stillstehen ist bei so viel Spaß nicht mal zu denken.

Vital und bunt geht es auch ein Stockwerk höher zu. Lutz Muchow "Yess", der seit 2006 in Albstadt lebt, ist, wie er sagt, von Buchstaben besessen. "Am Anfang stand die Faszination für Graffiti. Rund zwei Jahre lang habe ich nur für mich entworfen und gezeichnet, bevor ich mich getraut habe, wirklich ein erstes Bild in Angriff zu nehmen", schmunzelt er. Das war Mitte der 1990er Jahre, und seitdem lassen ihn die unerschöpflichen Möglichkeiten nicht mehr los, die er im Entwerfen von Buchstaben sieht. "Seid kreativ, egal was ihr tut!", ist sein Rat an junge Menschen – nicht nur in Tailfingen. Irgendwann von seiner Kunst zu leben, das ist sein großes Ziel, wie Muchow bekennt. Das kann aber noch dauern, und bis dahin wird er weiter immer neue Bilder mit Schriftzeichen und Acrylfarbe inszenieren. "Ich mag Acryl, das trocknet schnell und lässt sich gut verarbeiten, auch wenn Ölfarbe mich reizt."

Dem stimmt Künstler-Kollege Robert Zivkovic widerspruchslos zu. Er hat schon mit vielen Materialien und Techniken experimentiert. "Im Moment macht mir das mit der Acrylfarbe aber Spaß – nur, wer weiß, was noch kommt. Wenn ich irgendwas sehe, das mich begeistert, dann muss ich es immer sofort machen. Bisher war es immer so, dass ich eine Phase hatte, in der ich in einer bestimmten Art und Weise gemalt habe, und dann kam etwas Neues. Aktuell sind das die Tierbilder." Vielleicht, hofft Zivcovic, setze sich ja der eine oder andere – mit dem Eindruck seines Werkes im Kopf – ein wenig mehr mit der Natur auseinander. "Das wäre schön, wenn wir wieder ein bisschen mehr zum Respekt davor zurückfänden", sagt der Tailfinger, der zwar nicht von seiner Kunst leben kann, aber vor allem nicht ohne sie. "Ich hatte keine Wahl", erklärt Zivcovic und lächelt: "Ich konnte es mir nicht aussuchen. So lange ich denken kann, habe ich gemalt, immer, die ganze Zeit, in der Schule, mit Freunden, unterwegs – einfach immer."

Die Unerschöpflichkeit kreativer Energie war das große gemeinsame Thema aller Gestalter des Ereignisses. Von dieser Dynamik haben sich die Besucher mitreißen lassen, sie haben die Kraft gespürt, die in einem gemeinsamen Projekt liegt. Sie zu kanalisieren und für Tailfingen nutzbar zu machen – darauf komme es in Zukunft an. Der Grundstein dazu sei gelegt, hieß es bei der Veranstaltung.