Das Türmchen und die Kirche beim Stauffenberg-Schloss waren nur zwei von zahllosen Gebäuden, die das Erdbeben 1911 beschädigt hat. Foto: Archiv Melle

Am 16. November 1911 bebte in Albstadt die Erde. Schäden in Höhe von einer Million Goldmark.

Albstadt - Es war kurz, aber heftig: In der Nacht zum 17. November 1911 riss ein unterirdisches, unheimliches Rollen und Brüllen die Menschen aus dem Schlaf. Wo heute Albstadt ist, bebte die Erde. Heute jährt sich die Erdbebenkatastrophe zum 100. Mal.

Was für ein Schrecken die Betroffenen in jener Nacht empfunden haben müssen, geht aus alten Aufzeichnungen hervor, die Heiko Peter Melle aus Lautlingen zusammengetragen und sorgfältig archiviert hat.

Aufschluss über den Verlauf und die Auswirkungen der Naturkatastrophe gibt insbesondere ein im Jahre 1912 verfasster Stimmungsbericht des Lautlinger Oberlehrers Albert Winz. Aufgewühlt berichtet der Zeitzeuge vom "Entsetzen" und der "Todesangst" sowie der Ungewissheit, ob sich das schreckliche Ereignis nicht in demselben oder gar stärkerem Maße wiederholen würde.

Zollerngraben grollt sich ins Bewusstsein

Seine Befürchtungen haben sich bestätigt. Immer wieder kommt es auf der Schwäbischen Alb zu Erdbeben. In unregelmäßigen Abständen grollt sich der Zollergraben ins Bewusstsein der Menschen. Die frühesten Aufzeichnung über Naturkatastrophen dieser Art gehen auf das Jahr 555 zurück. Das Beben, das am 16. November 1911 um 22.26 Uhr seinen Anfang nahm, war, abgesehen von den heftigen Erschütterungen im Jahre 1978, jedoch das Stärkste seit 1021.

Das von Albert Winz beschriebene "donnerähnliche Krachen, das stets mehr den Glauben erweckte, wir säßen hier oben auf dem Rücken eines Vulkans", richtete verheerende Schäden an. Wie durch ein Wunder kamen keine Menschen zu Schaden. Berge, Hügel und Täler schienen jedoch "zum Spielzeug plutonischer Gewalten" geworden zu sein.

Tausende Gebäude wurden zerstört, manche mussten sogar abgerissen werden. Insgesamt wurde der Schaden auf über eine Million Goldmark beziffert - damals eine enorm hohe Summe.

Lautlingen und Pfeffingen am meisten betroffen

Unter den Ortschaften der heutigen Stadt Albstadt haben Lautlingen und Pfeffingen - sie liegen im Epizentrum des Bebens - am heftigsten gelitten. Der Zeitzeuge vor Ort berichtet von Stößen, die "immer direkt von unten kamen, von kurzer Dauer waren und mitunter den Eindruck machten, als höre man das Pochen eines gewaltigen Hammers in der Tiefe".

"Das ganze Haus war in Bewegung. Meine Bettstelle wurde in die Höhe geschleudert, Öfen und Kamine stürzten ein; von der Decke prasselten Gips- und Mauerstücke, von den Dächern die Ziegel. Alles schien aus Rand und Band zu gehen. Ich glaubte, mein letztes Stündlein habe geschlagen", heißt es in den Aufzeichnungen von Albert Winz. In Panik liefen die Lautlinger ins Freie und wärmten sich an Holzfeuern.

Der Naturkatastrophe fiel unter anderem die im Jahre 1670 erbaute Lautlinger Pfarrkirche zum Opfer, die nicht mehr gerettet werden konnte und abgerissen werden musste. Auch der Turm des Stauffenberg-Schlosses bei Lautlingen wurde zerstört. Schwer beschädigt wurden außerdem das neue Lehrerhaus und das Schulgebäude.

Große Erdrutsche in Margrethausen

Nicht direkt die Erdstöße, dafür aber der durch sie ausgelöste Kurzschluss zerstörte das Elektrizitätswerk Hagg (Herrschaftsmühle), das vollständig ausbrannte. Neben Lautlingen, in dem kaum ein Haus das Beben unbeschadet überstand, waren auch die Nachbarorte Tailfingen, Onstmettingen und Ebingen betroffen. Allein 800 Kamine wurden so stark beschädigt, dass sie teilweise einstürzten. Die Martinskirche in Ebingen wies große Risse in der Chorwand auf und auch der Ritter auf dem Ebinger Marktbrunnen nahm Schaden. Im Bereich Heersberg und Margrethausen kam es zudem zu großen Erdrutschen.

Am meisten in Mitleidenschaft gezogen wurden massive Bauten. Fachwerkhäuser, die die Stöße besser ausgleichen konnten, überstanden die Katastrophe besser.