Amtsinhaber Jürgen Gneveckow (links) lässt sich vom Wahlergebnis am Sonntag nicht verunsichern und will in Bürgergesprächen weiterhin Überzeugungsarbeit leisten. Foto: Eyrich

Oberbürgermeister wirbt im zweiten Wahlgang vor allem um Stimmen der bisherigen Nichtwähler.

Albstadt - Dass es noch ein harter Wahlkampf wird vor dem zweiten Wahlgang am 22. März, ist ihm bewusst. Doch vielleicht hat gerade das den Kampfgeist in Jürgen Gneveckow geweckt. Der Oberbürgermeister bleibt ruhig – sein Wahlkampfmotto "Kurs halten" gilt auch hier.

"Was die Leute am meisten drückt, ist der Wasserpreis", sagt Gneveckow nach vielen Wahlkampfgesprächen, die er vor dem ersten Wahlgang auf Wochenmärkten und anderswo geführt hat. Aus diesem ist er nur mit hauchdünnem Vorsprung vor Klaus Konzelmann hervorgegangen; dennoch sieht es der Oberbürgermeister und Aufsichtsratsvorsitzende der Albstadtwerke nicht als Eigentor an, den Grundpreis für Wasser kurz vor der OB-Wahl erhöht zu haben: "Wir mussten diesen Paradigmenwechsel vollziehen", sagt er mit Blick auf die gleichzeitige Senkung des Verbrauchspreises. "Hätten wir noch zwei, drei Jahre gewartet, wäre das Defizit der Albstadtwerke noch größer geworden – und wir müssen schließlich auch an die Ar-beitsplätze der Leute denken."

Dass zahlreiche Albstädter sich an der Neugewichtung von Grund- und Verbrauchspreis stoßen – der Grundpreis vervierfacht sich, der Verbrauchspreis sinkt – , kann Gneveckow verstehen. "Es widerspricht der schwäbischen Sparmentalität." Indes habe auch das Sparen seinen Preis: Das überdimensionierte Leitungsnetz aus der Blütezeit der Textilindustrie müsse nun einmal regelmäßig durchgespült werden, und wenn der Verbraucher das nicht tue, dann bleibe diese Aufgabe samt den Kosten zwangsläufig an den Albstadtwerken hängen. Dass der Verbraucher geschröpft werden, bestreitet der OB und verweist zum Beleg auf den Strompreis: Der liege in Albstadt deutlich niedriger als in den meisten vergleichbaren Städte im Marktgebiet. "Das muss man auch mal sehen."

Gneveckow konzediert freilich auch, dass es sinnvoll gewesen wäre, die Änderung der Preisstruktur "besser zu kommunizieren". Ist die Kommunikation mit dem Bürger ein Problem? Nicht prinzipiell, sagt Gneveckow – doch im Falle des Wasserpreises seien die Möglichkeiten, öffentlich zu diskutieren, begrenzt gewesen – die Albstadtwerke seien halt kein städtischer Eigenbetrieb, sondern ein Unternehmen mit Geschäftsführung und Aufsichtsrat. Da seien der Transparenz Grenzen gesetzt.

Aber vermag der Ärger mit dem Wasserpreis allein zu erklären, dass ein nicht gesetzter Herausforderer Gleichstand mit dem seit 1999 regierenden Amtsinhaber erreicht? Jürgen Gneveckow geht davon aus, dass es mit der Mobilisierung des eigenen Wählerpotenzials bisher haperte, und vermutet den größeren Teil der knapp 70 Prozent Nichtwähler auf seiner Seite: Die Leute seien mehrheitich zufrieden mit den Ergebnissen von 16 Jahren Rathauspolitik – sie müssten ihre Zustimmung halt am 22. März an der Urne amtlich machen.

Dass 16 Jahre allemal lang genug waren, um den einen oder anderen mit einer missliebigen Entscheidung zu vergrätzen – das ist laut Gneveckow der Malus, mit dem der Amtsinhaber – und naturgemäß nur er – leben muss. Apropos 16 Jahre: Den Verdacht, er sei verbraucht und abgekämpft, weist der Oberbürgermeister von sich: Wenn er in jüngster Zeit nicht immer wie das blühende Leben ausgesehen habe, sei das einer schweren Erkältung geschuldet – im Übrigen fühle er sich gut und habe "fast Idealgewicht".

Das Kampfgewicht wird er in den nächsten Tagen brauchen. Gneveckow will im Wahlkampf nicht zuletzt der neu entflammten Stadtteildiskussion entgegentreten: "Die Kernaussage unserer Kampagne lautet ›Wir sind Albstadt‹." Sollte Jürgen Gneveckow am 22. März erneut gewählt werden, dann blieben ihm, weil das Höchstalter von Bürgermeistern in Baden-Württemberg derzeit auf 68 Jahre begrenzt ist, noch fünfeinhalb Jahre Amtszeit. Was hat er sich vorgenommen? Er nennt an erster Stelle die Sanierung und Belebung von Tailfingen. "Die werden wir mit Volldampf anpacken – wir können da einiges bewirken."