Foto: Schwarzwälder-Bote

Die Vorzeichen waren ganz andere. Dennoch passt das, was der Regisseur

Die Vorzeichen waren ganz andere. Dennoch passt das, was der Regisseur Tom Tykwer bei der Trauerfeier für den zu früh verstorbenen Filmemacher Bernd Eichinger gesagt hat, gut zur Reaktion der Menschen in der Region Albstadt auf die Nachricht von der Selbsttötung des mutmaßlichen Doppelmörders: "Da fehlt doch noch der ganze dritte Akt!"

Der Mord an einem Albstädter Ehepaar im März hat die Menschen der Region so stark bewegt wie wohl nichts anderes – mindestens seit dem großen Erdbeben 1978. Die Tat und die anschließende öffentliche Fahndung, die spektakuläre Festnahme des mutmaßlichen Täters auf dem nächtlichen Hechinger Bahnhof und die folgende Aufarbeitung der Indizien durch die Justizbehörden waren Tagesthema und sind es nach wie vor. Die Bürger wollten den 46-Jährigen, "dringend Tatverdächtigen", wie die Staatsanwaltschaft ihn nannte, vor Gericht sehen. Um zu erleben, dass er büßen muss für die Tat, die ihm vorgeworfen wurde.

Dass es noch einen zweiten Beweggrund für diesen Wunsch gab, ist erst jetzt deutlich geworden, da Jörg K. sich in seiner Gefängniszelle erhängt hat: Die Menschen wollten sicher sein, dass die Polizei den richtigen Mann geschnappt hat. Das war in der zurückliegenden Woche immer wieder zu hören.

Doch nun bleibt die Akte unter Verschluss, bleiben die Indizien und Beweise, welche die Ermittler in fast sechs Monaten gesammelt haben, für alle Zeiten Geheimsache. Kein ordentliches Gericht wird nun mehr sein Urteil sprechen. Akte zu, Fall abgeschlossen. Soll’s das jetzt gewesen sein?

So lange über diesen Fall gesprochen wird, werden wir Jörg K. nun den "mutmaßlichen" Täter nennen müssen. Das ist bitter – selbst für jene, die nicht persönlich in den Fall involviert waren. Einen Abschiedsbrief mit einem Schuldeingeständnis hat Jörg K. laut Staatsanwaltschaft Stuttgart nicht hinterlassen. Diese Tatsache ist zumindest ein Indiz dafür, dass sich Reue bei ihm bis zuletzt nicht eingestellt hat – Reue, die so wichtig gewesen wäre für viele, die die Mordopfer kannten, wie Dekan Anton Bock es im Gespräch mit unserer Zeitung gesagt hat. Bis zuletzt sei die Tat irrational geblieben.

Was der Seelsorger aber auch deutlich gemacht hat: Wir müssen uns mit solchen Tätern beschäftigen – nicht um ihre Lebensgeschichte aufzuwerten gegenüber dem Leid der Opfer, sondern um zu verstehen, warum solche Dinge in unserer Gesellschaft passieren. Nur dann wird Prävention überhaupt möglich.

Jörg K. war nicht vorbestraft, hat über Jahrzehnte das Leben eines Durchschnittsbürgers geführt: unauffällig und unaggressiv. Scheinbar urplötzlich hat ihn augenscheinlich etwas so aus der Bahn geworfen, dass er zwei Menschen umgebracht hat, um Geld zu rauben.

Wenn wir genauer auf die Motive eines Täters blicken wollen, dann geht es nicht darum, seine Tat zu entschuldigen oder zu erklären. Es geht darum, daraus zu lernen: Was können wir, was kann jeder Einzelne von uns tun, um zu verhindern, dass ein Mensch derart entgleist, dass er zum Mörder wird? Auch diese Antwort bleiben uns die Ermittler im Fall des mutmaßlichen Doppelmörders von Ebingen nun schuldig.

Vielleicht ist es auch das, was die Menschen in der Region Albstadt am so unerwarteten Ende eines aufreibenden halben Jahres noch immer derart umtreibt: Letztlich dämmert uns allen im Hinterkopf die Erkenntnis, dass Gewalttaten urplötzlich in unsere vermeintlich heile Welt hereinbrechen können. Eine bittere Wahrheit.