"Hier kann man sehr gut sitzen" – es sei denn, man heißt Pierre M. Krause und hat auch bei einer Autorenlesung Hummeln im Hintern. Foto: Weiger

Literaturtage: Fernsehmoderator Pierre M. Krause räsoniert in Ebingen über Dorfidyllen und Wählscheiben.

Albstadt-Ebingen - Er ist TV-Moderator, Late-Night-Talker, Wahrheitssucher im Montagsprogramm des Südwestfernsehens, Humorist, Badener des Jahres 2015 – und neuerdings Buchautor. Grund genug, Pierre M. Krause zu den Albstädter Literaturtagen einzuladen und ihn aus seinem Erstling vorlesen zu lassen.

Badener des Jahres – soll das etwa eine Auszeichnung sein? So konnte man die Zuhörer im Saal des Ebinger Bildungszentrums feixen hören? Pierre M. Krause, quirliger Moderatorder "SWR3latenight" und Vierter im Bunde von "Sag’ die Wahrheit", winkte bescheiden ab: Badener des Jahres könne man "ohne jegliche Qualifikation" werden. Im übrigen betrachtet sich der gebürtige Karlsruher als Kosmopoliten: " Ich finde alle Menschen toll" – Kunstpause – "auch Schwaben!"

Prima, dann wäre das ja geklärt. Was hat Pierre M. Krause nach Ebingen mitgebracht? Geschichten aus dem – na klar – badischen Schwarzwald, aus einem Idyll, über das es Klischees und Vorurteile ohne Ende gibt. Um es gleich vorwegzunehmen: Sie sind alle wahr; Krause muss es wissen. Er ist vor einiger Zeit aus der Stadt in ein kleines Dorf umgezogen, ein Biotop mit sauberen Spielplätzen, glaubensstrengen Kehrwochen-Anhängern und Terrakotta-Tieren, hat dort viel erlebt und es in seinem Buch "Hier kann man gut sitzen" festgehalten. Im Ebinger Bildungszentrum räsoniert der 39-Jährige über Damenabende mit Prosecco und praktischem Plastikgeschirr, über Grillfeste mit Jörg Pilawa, über vollautomatische Fön-Toiletten, über kommunikative Nachbarinnen, im Vergleich mit denen kein Geheimdienst der Welt anders als kläglich aussehen kann, und über Klitschko, den Hund, der keine Bank-Bonbons darf. All das ohne Punkt und Komma – wann der Mann Luft holt, bleibt den ganzen Abend unklar.

Was lernt der Ebinger daraus? Zu seiner Überraschung stellt er fest, dass sich Badener und Württemberger trotz ihrer permanenten Geplänkel gar nicht so unähnlich sind, wenn man einmal von den favorisierten Landesflaggen und den Lieblings-Fußballclubs absieht. Krause erweist sich als messerscharfer Kombinierer, der seinen Dorfkollegen nicht nur auf die flinken, fleißigen Finger, sondern auch aufs gemütliche Mundwerk geschaut hat. Er mag kein Weltliterat sein; die Schilderungen des dörflichen Milieus mögen manchem Zuhörer etwas zu eindrücklich geraten sein – na und, was soll’s? Dafür ist Pierre M. Krause ist ein überaus sympathischer Zeitgenosse, der sich selbst nicht wichtig nimmt und die Nähe zu seinem Publikum sucht.

Warum ist Albstadt "absolut draußen"?

Über dem Publikum thronen und erhaben-bedeutsam aus dem eigenen Werk rezitieren? Fehlanzeige: Der Buchautor, der live noch zierlicher wirkt als im Fernsehen, sitzt keinen Moment still, ist ständig auf seiner Mini-Bühne unterwegs, greift jeden verbalen Ball auf – so wie im Fernsehen eben. Spontan, schlagfertig, direkt und temporeich erzählt er vom schicken Wählscheiben-Telefon seiner hiesigen Künstlergarderobe, und als ihm Christine Widmann-Simon, die Leiterin der Stadtbücherei, als Dankeschön die obligate Albstädter Tasse überreicht, kommentiert er sogleich den Slogan des Tourismus-Logos: "Absolut draußen". Voll echter Anteilnahme und wohl noch unter dem Eindruck des Wählscheiben-Telefons stehend erkundigt er sich: "Seid Ihr hier absolut draußen, weil es bei Euch drinnen nicht ganz so schön ist?! Mir hat es hier sehr gefallen!"