Unterwegs zum nächsten Notdienst: die Schramberger Ärztin Lara Stephan äußert sich über die neue Situation. Foto: Stephan

Das Bundessozialgericht hat jüngst ein Urteil erlassen, wonach sogenannte Poolärzte im Notfalldienst nicht automatisch selbstständig und somit sozialversicherungspflichtig sind. Das ändert einiges für die Patienten – aber auch für die Ärtze.

Nun hat sich die Schramberger Ärztin Lara Stephan an unsere Redaktion gewandt, erläutert, was es mit dem Urteil auf sich hat und schildert, wie sich die Änderungen konkret auswirken.

„Wir Hausärzte werden von der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) für Nachtdienste unter der Woche und am Wochenende eingeteilt“, beginnt die Medizinerin. Die Dienste beginnen unter der Woche um 18 Uhr und enden am nächsten Tag um 8 Uhr. Mit der vorgeschriebenen Präsenzpflicht in der Praxis kämen bis zu 36 Stunden zusammen. Die Patienten melden sich über die Rufnummer 116 117 bei einer Telefonzentrale „und die dortigen Mitarbeiter entscheiden dann, ob sie den Patienten an den hausärztlichen Notdienst vermitteln oder direkt einen Rettungswagen schicken“.

Anfangs weniger Dienste

Sie arbeite seit 16 Jahren als Allgemeinärztin in einer Gemeinschaftspraxis in Waldmössingen und könne sich noch gut an die Nachtdienste in ihrer Anfangszeit erinnern. Damals sei sie für die umliegenden Höhengemeinden zuständig „und habe mich mit den Ortsplänen zurecht finden müssen“. Eine deutliche Erleichterung sei dann die Nutzung eines Navis und die Zusammenlegung der Dienstbezirke Schramberg Tal und Höhe gewesen. „Dadurch wurde das Dienstgebiet zwar ausgeweitet aber die Häufigkeit der Dienste nahm ab.“

Oft mulmiges Gefühl

Oft sei sie im Nachtdienst von einem mulmigen Gefühl begleitet worden. „Es ist gar nicht einfach, bei vollständiger Dunkelheit, den Weg zu einsamen Aussiedlerhöfen zu finden und vor allem im Winter lasse ich mir die Zufahrtswege sehr genau beschreiben und bitte immer um Anschalten der Außenbeleuchtung“, erläutert Stephan. Erst vor Kurzem sei sie von einer verzweifelten Mutter angerufen worden, die nach einem Streit mit ihrem drogenabhängigen Sohn, der ebenfalls vor Ort war, Herzrhythmusstörungen und Panikattacken bekommen hatte. „Bei dem Besuch hatte ich dann sicherheitshalber mein angeschaltetes Handy in der Tasche und mein Ehemann konnte am anderen Ende der Leitung mithören“, schildert die Ärztin.

Gern gesehene Entlastung

In den vergangenen Jahren sei es möglich gewesen, viele der Nachtdienste an Vertretungsärzte, die sogenannten Poolärzte abzugeben, um eine notwendige Ruhephase einzulegen – „denn am nächsten Tag geht die Arbeit in der eigenen Praxis einfach weiter“. Diese Vertretungsärzte seien entweder bereits berentet oder nicht selbstständig in einer Praxis tätig, wodurch sie sich die Arbeitszeiten besser einteilen können.

KV muss Plan erarbeiten

Leider sei diese Möglichkeit nun durch erwähntes Gerichtsurteil gekippt worden. Jetzt bestehe für diese Vertretungsärzte nun auch eine Sozialversicherungspflicht und die Vertragsärztinnen und -ärzte, also die Haus- und Fachärzte, „werden die Dienste wieder selber übernehmen müssen“.

„Okay – das hatten wir erwartet und die Hoffnung ist noch da, dass die KV den Bereitschaftsdienst komplett neu organisiert“, schildert sie und fordert: „In wieweit ein Bereitschaftsdienst durch die noch vorhandenen Haus- und Fachärzte weiter in der Form geleistet werden kann muss grundsätzlich im Rahmen des Ärztemangels und der zunehmenden Belastung in der Praxis diskutiert werden“ und falle in den Zuständigkeitsbereich der KV.

Anderen Bezirk mitversorgen

„Doch uns Schramberger Kollegen trifft die Änderung jetzt doppelt heftig“, führt Stephan aus, denn „in einer kurzen Mail der KV“ sei ihnen mitgeteilt worden, „dass wir in Zukunft von Mitternacht bis 8 Uhr den Dienstbezirk Sulz/Oberndorf mitversorgen müssen, weil in unserem Bezirk noch mehr Ärzte tätig sind als dort“. Das bedeute, „dass wir im Dienst nicht nur nach Tennenbronn, Lackendorf, Lauterbach oder Fluorn gerufen werden können, sondern dann gegebenenfalls auch nach Vöhringen und Glatt fahren müssen“.

In jedem Berufszweig, schließt Lara Stephan, regeln Arbeitszeitgesetze eine zuverlässige und konstante Leistungsfähigkeit des Erbringers „und ausgerechnet hier, wo es um die Behandlung von kranken Menschen geht sind 36 Stunden wohl unbedenklich“.