Bürgermeister Maik Lehn zeigt den dreiflügeligen Grundriss des ehemaligen Pflegehauses Silberdistel an der Schwenninger Straße mit einem Entwurfsplan für eine Praxisgemeinschaft oder auch Einzelpraxen. Foto: Susanne Grimm

Die Hausärztesituation in Stetten am kalten Markt spitzt sich zu. Ein weiterer Arzt verlässt den Ort. Eine Hausärztin geht in den Ruhestand. Die Gerüchteküche brodelt.

Mit dem Ruhestand der Frohnstetter Hausärztin ist die Sorge der Stettener Bevölkerung um die hausärztliche Versorgung in der Heuberggemeinde lauter geworden. Nun schlägt die Nachricht, dass ein weiterer Arzt Stetten verlässt, hohe Wellen, es wird nach dem „Warum“ gefragt und wer denn daran „Schuld“ ist. Besagter Arzt wird die Praxisgemeinschaft in der Lagerstraße verlassen und sieben Kilometer weiter in Schwenningen seine Zelte aufschlagen, ebenfalls in einer Praxisgemeinschaft. Die Gerüchteküche brodelt, in Wartezimmern, in der Apotheke und beim Einkaufen wird nach Gründen gesucht. „Warum hat die Gemeinde es nicht geschafft, ihn am Ort zu halten?“ Welche Rolle spielt die „MVZ Medizinische Versorgungsgesellschaft mbH“ aus Ebingen, für das im Erdgeschoss des ehemaligen Pflegehauses Silberdistel geplante medizinische Versorgungszentrum? Stimmt es, dass einer der Stettener Ärzte nicht zu einem „Runden Tisch“ eingeladen worden ist, bei dem dies Thema war? Was geschieht nun mit der freigewordenen Arztstelle in der Lagerstraße und mehr noch: Kann der jetzt allein agierende Mediziner den erhöhten Arbeitsanfall schaffen?

Das ehemalige Pflegehaus Silberdistel, im Besitz der „Deutschland.Immobilien GmbH“, an der Schwenninger Straße wird im Rahmen des neuen Pflegeparks „Viertel 4“umgebaut. Im Erdgeschoss sollen Arztpraxen entstehen. Foto: Susanne Grimm/Susanne Grimm

Immerhin ist er bereits jenseits der Regelarbeitszeit eines normalen Rentners, dazu gesundheitlich ein wenig angeschlagen. Was ist, wenn er auch ausfällt? Was tut die Gemeinde? Die Fragen gehen nicht aus, ist doch jedem bewusst, wie wichtig der Hausarzt für die ländliche Bevölkerung ist.

Mit all diesen Fragen, Gerüchten und versteckten Anwürfen konfrontiert, hatte Bürgermeister Maik Lehn zu einem Gespräch eingeladen. Er stellte klar, dass es nie einen „runden Tisch“ gegeben habe, und hätte es einen gegeben, „wäre es schierer Unfug gewesen, einen der Ärzte außen vor zu lassen“. Richtig sei, dass die Gemeinde mit den einzelnen Ärzten Gespräche gesucht habe, um sie für das geplante MVZ zu erwärmen. Dieses solle im Erdgeschoss des ehemaligen Silberdistel entstehen, deswegen habe die Gemeinde vom Investor des neuen Pflegeparks, die „Deutschland.Immobilien GmbH“ aus Hannover, die 418 Quadratmeter des Erdgeschosses angemietet. „Dort könnten sich zwei bis drei Ärzte sowohl in Praxisgemeinschaft aber auch als Einzelunternehmer einmieten“, so Lehn.

Die Fläche für das medizinische Zentrum hat die Gemeinde Stetten angemietet und hält sie für diesen Zweck vor. In den Etagen darüber hat der Eigentümer unter anderem Wohnungen für das Personal des Pflegeparks vorgesehen. Im Untergeschoss entsteht die Küche für die Einrichtung. Foto: Susanne Grimm/Susanne Grimm

Der dreiflügelige Grundriss des Gebäudes biete etliche Varianten für barrierefreie und individuell planbare Praxisräume. Sollten sich Mediziner finden, die dieses Angebot nutzen wollten, würde die Gemeinde nicht als Vermieter auftreten, sondern den Vertrag an den Hauseigentümer zurückgeben, so dass künftige Nutzer die Mietverträge mit dem Eigentümer, also der Deutschland.Immobilien GmbH, abzuschließen hätten. „Der Verwaltung und dem Gemeinderat war es von Anfang an wichtig, diese Gebäudefläche erst einmal vorzuhalten, um, wenn möglich und gewünscht, ortsansässigen Ärzten einen alternativen Standort anzubieten“, sagte Lehn. „Anzunehmen, wir würden einen bestimmten Mediziner, aus welchen Gründen auch immer, nicht wollen, ist absoluter Quatsch“, unterstrich Lehn mit Nachdruck. „Im Gegenteil. Es schmerzt uns, zu erfahren, dass ein in der Bevölkerung sehr beliebter Arzt Stetten verlassen will.“

Bürgermeister beteiligt sich nicht an Spekulationen

Die Gründe dafür seien ihm nicht bekannt, und an Spekulationen wolle er sich nicht beteiligen. „Noch einmal: Die Möglichkeit, sich im geplanten MVZ als Arzt niederzulassen, steht nach wie vor jedem offen“, betonte Lehn. „Wir können nur anbieten und die Tür offenhalten, entscheiden muss jeder Arzt selbst“.

Die „MVZ Medizinische Versorgungsgesellschaft mbH“ sei Berater und Begleiter bei der Planung und Einrichtung eines MVZ, da die Doktoren Lennart und Krischan Spengler als Betreiber mehrerer MVZ das Fachwissen hätten, ein solches einzurichten. „Wir können nicht wissen, wo und wie viele Steckdosen für medizinisches Gerät anzubringen sind, welche Leitungen wo und für welche Zwecke verlegt werden müssen“, nannte Lehn Beispiele. Denn Arztpraxen einzurichten, gehöre nicht zu den Kernkompetenzen einer Kommune. „Deshalb sind wir froh, mit den Spenglers kompetente Berater gefunden zu haben“. Das bedeute aber nicht, dass die MVZ Versorgungsgesellschaft das geplante Stettener MVZ übernehme oder betreibe.

Hoffnung auf Interessenten

Lehn brachte seine Hoffnung zum Ausdruck, dass sich mit der Bereitstellung von Flächen für neue Arztpraxen Interessenten finden und damit die medizinische Versorgung der Bevölkerung auch in Zukunft auf sicheren Beinen steht.