Die Stadtkirche war rappelvoll beim Abschiedsgottesdienst für Pfarrer Christof Seisser (Zweiter von links). Foto: Szymanski

Die Balinger Stadtkirche war so gut wie voll bei der fast dreistündigen Abschiedsfeier nach 29-jähriger Dienstzeit des Heselwanger Pfarrers Christof Seisser. Dieser begrüßte als zukünftiger Ruheständler, Familienmensch und 3-facher Opa zunächst seine acht Monate alte Enkelin Diana und kündigte an, dass diese wohl öfter „krähe“. Dieses Geräusch ließ das Kleinkind aufs Stichwort denn auch hören – Anlass für den ersten Lacher dieser Zeremonie.

Nicht nur deshalb war der Bann sofort gebrochen bei diesem fröhlichen und dennoch würdigen und berührenden Gottesdienst mit einer Menge Gruß- und Lobesworten aus Kirche und Gesellschaft. Auch die musikalischen Grüße des Organisten Tobias Oßwald und Lieder wie Jubilate Deo des großen Kirchenchors trugen dazu bei. Es wirkten mit der Kirchenchor Heselwangen unter Leitung von Ulrike Ehni, der Sängerbund Heselwangen unter der Leitung von Patrizia Lormes-Schreijäg sowie der Chor Allegria aus Engstlatt unter dem Dirigat von Birgit Knopp-Merz. Die Gemüter erreichte mit gefühlvoll gespielten Stücken auch der Posaunenchor Balingen-Heselwangen unter Leitung von Jürgen Stengel.

„Rostbratenbeauftragter der Gemeinde“

„Jetzt isch rom, schee isch gsei“, sagte Pfarrer Seisser, der sich die berühmte Bibelstelle „Jegliches hat seine Zeit“ aus Prediger 3 für diesen seinen vorerst letzten Gottesdienst ausgesucht hatte. So könne man sich eine Liste anlegen, was zu tun sei zur rechten Zeit und diese abarbeiten. Nun aber könne er so ähnlich weitermachen, aber sich am Schluss einen Aperol Spritz oder ein Weizenbier in Ruhe genehmigen. Dass der von Dekan Michael Schneider später mit Handauflegen und Segnen entpflichtete Seisser mehr oder weniger als Genussmensch bekannt sei und künftig noch mehr in der Küche zaubern wolle, trüge übrigens auch den Spitznamen „Rostbratenbeauftragter der Gemeinde.“

Der Dekan sagte auch, dass Heselwangen ohne Seisser schwer vorstellbar sei. Und überhaupt ließe sich die Abkürzung Pfarrer i. R. in seinem Fall auch so auslegen: Pfarrer in Reichweite. Denn der scheidende Seelsorger will nicht nur weiter begeistert Mountainbike-Rennen fahren, Skilaufen und mit seiner Frau, der Lehrerin Sabine, die weiland beim Deutschen Tanzabzeichen erworbenen Schritte auffrischen und eben Speis und Trank kultiviert genießen.

Seisser wird weiterhin ehrenamtlich aktiv sein

Der 66-Jährige in Ulm Geborene wird auch weiterhin einige Ehrenämter bekleiden, darunter als Mitglied des Ethik-Komitees des Zolleralb-Klinikums, das dafür sorgt, dass Behandlungen im Sinne des Patienten durchgeführt werden, sowie seine Mitarbeit in der ökumenischen Hospizgruppe.

Bei seinem Abschiedsgottesdienst hatte Pfarrer Seisser viel zu tun. So klebte er aus unterschiedlich großen Pappstücken nach Puzzle-Art auf einer großen Tafel ein Rechteck zusammen, das die Gemeinde respektive Gesellschaft darstellt mit all ihren unterschiedlichen Formen und Größen. Das mit viel Geduld von ihm erstellte Gebilde erhielt einen breiten silbernen Rahmen, was den alles bindenden Glauben symbolisieren sollte. Gott sei, laut Einstein, nicht wegzudenken. Deshalb: „Menschen mit Gott zu verbinden, das kann ich als Pfarrer jedem anbieten.“

Der Pfarrer greift selbst zur Gitarre

Diese Basteleinlage war nicht alles. Pfarrer Seisser griff auch zur Gitarre, um mit Michael Damm, Peter Panka Völkle und Leiterin Simone Alena Hönisch bei der Kirchenband Heselwangen die berühmte Hymn von Barclay James Harvest in die Saiten zu greifen und zu singen. Großen Applaus im Kirchenrund gab es auch für das Lied Irgendwas bleibt von der Band Silbermond, das Seisser umgetextet hatte. Viele blieben beim Stehempfang mit Brezel und Kuchen, den der Musikverein Heselwangen unter Leitung von Erwin Nehlich organisiert hatte.