Zeitzeuge Walter Broch (links) im Gespräch mit Kreisarchivar Wolfgang Sannwald. Foto: Marzell Steinmetz

Walter Broch aus Wachendorf war als Gemeinderat mit dabei, als vor 50 Jahren die Einheitsgemeinde Starzach gegründet wurde. Bei einem Gespräch mit Kreisarchivar Wolfgang Sannwald im Bierlinger Rathaus erinnerte er sich an diese Zeit.

Bürgermeister Thomas Noé, der eingeladen hatte, hätte sich gern mehr Zeitzeugen gewünscht. Broch war der einzige. Außer ihm waren noch einige Gemeinderäte und Interessierte zu dem Termin im Sitzungssaal gekommen. 2024 will Starzach das 50-jährige Bestehen feiern. Eigentlich aber, so Sannwald, könnte drei Jahre lang gefeiert werden.

Die Gemeindereform müsse im Zusammenhang mit der Kreisreform gesehen werden, stellte Sannwald fest. Das Land wollte die Landkreise drastisch reduzieren. Von 60 blieben am Ende noch 35 übrig. Die Auflösung des Kreises Horb stand fest, Freudenstadt sollte auf alle Fälle als Fremdenverkehrskreis erhalten werden, brauchte aber zusätzliche Gemeinden. So war es keineswegs selbstverständlich, dass die heutigen Starzach-Dörfer an den Kreis Tübingen angebunden wurden.

Nur Starzach schaffte es nach Tübingen

Das sei, wie Broch rückblickend sagte, jedoch eine gute Wahl gewesen. Freudenstadt war zu weit weg, ein Bezug bestand in den Schwarzwald nicht, dagegen tendierten vor allem die Wachendorfer wegen der Arbeitsplätze, Schulen und der Kliniken Richtung Rottenburg und Tübingen. Andere Gemeinden, so Sannwald, wollten ebenfalls nach Tübingen, aber nur Starzach habe es geschafft.

Die Vorstufe der Einheitsgemeinde war die Verwaltungsgemeinschaft, der als sechste Gemeinde noch Bierlingen angehörte. Das Land agierte, wie es Sannwald formulierte, dann mit „Zuckerbrot“ und „Peitsche“. Es ging natürlich ums Geld: Der Zusammenschluss zur neuen Gemeinde Starzach wurde mit 230.000 Mark aus dem Ausgleichsstock versüßt. Andernfalls drohte den Dörfern die Knute mit der Zwangseingemeindung.

Die Bildung der Gemeinde Starzach erfolgte schließlich in drei Schritten: Die Höhengemeinden schlossen sich bereits am 1. Januar 1972 zusammen. Sitz der Gemeindeverwaltung wurde Bierlingen.

In Sulzau war die Gemeindereform hoch emotional

In Sulzau sei es hoch emotional zugegangen, wusste Sannwald. Er zitierte einige kaum veröffentlichungsfähigen Aussagen unter anderem auf Flugblättern. Auch in Leserbriefen wurde die Gemeindereform heftig diskutiert. Die Hälfte der Bevölkerung tendierte zu Rottenburg, die andere Hälfte zu Starzach. Sulzau mit seinen gerade mal 350 Einwohnern befand sich dabei in einer „Schlüsselposition“.

Weil die Rottenburger ihre Eingemeindungsversprechungen nicht einhalten konnten, fiel die Entscheidung zu Gunsten Starzach. Als am 1. Juni 1973 Sulzau zu den Höhengemeinden kam, hatte Börstingen, das mit Weitingen liebäugelte, keine andere andere Wahl mehr, als sich ebenfalls der neu gebildeten Gemeinde anzuschließen. Das war am 1. Februar 1974.

Doch wie ist Starzach zu seinem Namen gekommen? Der Wachendorfer Schlossermeisters Karl Kienzle habe sich diese Wortschöpfung ausgedacht, wusste Walter Broch. Der Name setzt sich aus den Flüssen Starzel und Eyach, die das Gemeindegebiet abgrenzen, zusammen. Im Mitteilungsblatt sind bereits im Oktober 1971 die Bürger aufgerufen worden, einen Namen für eine neue Gemeinde zu finden. „Neckarau“ und „Auingendorf“ – eine Zusammenfügung aus den sechs Gemeinden der Verwaltungsgemeinschaft – lagen bereits vor.

Wie wird der Zusammenschluss dieser Tage gesehen?

Der Zusammenschluss ist durchaus auch skeptisch gesehen worden. So habe Baron Sigurd von Ow damals geglaubt, Starzach sei zu klein und habe vor allem zu wenig Geld. Walter Broch verbindet dagegen viel Positives mit der Gründung Starzachs. „Wir hatten im Gemeinderat gute Zeiten. Die Gelder sind geflossen, man konnte viel machen“, berichtete er.

Gemeinderat Hans-Peter Ruckgaber zog aus heutiger Sicht eine Bilanz: „Ich bin nach wie vor für Starzach. Der Zusammenschluss hat sich gelohnt, und ich glaube, dass wir trotz der finanziellen Probleme bestehen können.“ Burkhard von Ow: „Es war eine gute Entscheidung, dass Starzach entstanden ist.“ Er sah aber auch die schwierige geografische Lage mit dem Tal. „Wir sind abgeschnitten und haben daher keine gewerbliche Entwicklung“, sagte er.

Dennoch fühle man sich im Kreis Tübingen wohl. Bei einer Eingemeindung in Rottenburg wäre man allenfalls Ersatzrad gewesen. Von Ow verwies außerdem auf die eigene Geschichte der Dörfer, die mit seiner Familie und mit der Weitenburg zusammenhängen.

Auch für Bürgermeister Noé wäre es keine Lösung gewesen, als fünftes oder sechstes Rad an eine andere Gemeinde angegliedert worden zu sein. Eine Wohngemeinde habe es finanziell jedoch nicht leicht: „Ich hätte gern noch ein bisschen mehr Geld“, wünschte er sich.